Die Prophezeiung der Steine
einem Holzdach bedeckt und erstreckten sich über die gesamte südliche Seite des Geländes, auf die Wintersonne ausgerichtet. Der Rest des Geländes war von Ställen und Koppeln bedeckt, in deren Mitte sich ein gewaltiger Versammlungsplatz befand. Dorthin führte sie nun der Lehnsmann.
»Warte hier«, sagte er, stieg ab und schritt in das Hauptgebäude.
Selbst so kurz vor Sonnenuntergang herrschte reger Betrieb. Die Schmieden in der Nähe der Ställe glühten und lärmten; Küfer bereiften Fässer vor einer Art Lagerhaus; ein Stellmacher passte eine eiserne Felge an ein Rad in der Nähe eines Fuhrwerks an, und eine Reihe von Pfeilmachern nutzten das letzte Sonnenlicht, um ein Bündel Pfeile fertigzustellen, besondere Schäfte eigens für die Langbögen, welche die Fußsoldaten trugen, bemerkte Bramble.
Der Hof zu ihrer Rechten war voll mit Pferden. Sie lenkte Cam zum Gatter, stieg ab und schaute hinein. Im Laufe der vergangenen Jahre hatten Gorham und sie eine ganze Reihe von Pferden für Thegan ausgebildet. Sie waren alle hier. Und noch andere. Er musste alle guten Reittiere aus den umliegenden Städten aufgekauft - oder schlichtweg eingezogen - haben. Bramble erkannte die meisten von ihnen
im Hof. Als sie leise pfiff, erkannten sie die Melodie, die sie und Gorham ihnen beigebracht hatten, und drängten sich an das Gatter. Bramble sprach zu ihnen und nahm sich ganz bewusst einen Moment Zeit, bevor Thegan kam. Sie schnupperten ihr an den Händen, rieben die Schnauze an ihrer Wange und drängten einander beiseite, um sie zu berühren.
»Und deshalb«, sagte eine warme, lachende Stimme, » deshalb haben die Götter dich zu mir geführt.«
Sie holte tief Luft und drehte sich um. Da war Thegan nun, ein wenig schmächtiger, als sie ihn in Erinnerung hatte, doch kräftig, mit den breiten Schultern eines Schwertkämpfers. Er hieß sie willkommen, lachte sie mit seinen kalten Augen an, um das Publikum aus Handwerkern und Soldaten zu bedienen, die sich freudig zusammengefunden hatten, um Bramble zu sehen.
»Unsere wiedergeborene Jagdbeute!«, sagte er laut, um einen Jubelsturm auszulösen, und bekam diesen auch. »Willkommen! Dreimal willkommen seiest du, dich uns anzuschließen!«
»Aber ich schließe mich Euch gar nicht an«, sagte sie leise. »Eure Männer haben mich festgenommen und hergebracht. Wie es aussieht, stehlt Ihr mir meine Pferde.«
Seine Augen wurden noch kälter, doch er lächelte.
»Meinen Anweisungen folgend, ja, aber auch den Anweisungen der Götter folgend, denke ich. Sie haben dich hierhergeführt.«
Die Menge jubelte. Thegan bedeutete den Leuten, ein wenig zurückzutreten, damit sie beide vertraulich miteinander reden konnten.
Bramble spürte, dass sie sich am ganzen Körper versteifte. Erneut erkannte sie das Prickeln unter der Haut, das bedeutete, dass die Götter gegenwärtig waren. Nun wusste
sie, dass Thegan Recht hatte. Die Götter hatten sie wirklich hierhergeführt. Aber aus welchem Grund? Nicht, um Thegan zu unterstützen. Davon war sie überzeugt. Die Götter hatten ihre eigenen geheimen Absichten, die sie ihr nicht anvertrauten. Alles, was sie tun konnte, war, sich ihrer Natur entsprechend zu verhalten - der Natur, die sie ihr verliehen hatten.
»Aber nicht, damit ich mich Euch anschließe«, sagte sie und hielt ihre Stimme dabei nach wie vor leise.
»Oh, doch«, sagte er genauso leise und trat so nahe an sie heran, dass sie seinen Atem an ihrer Wange spürte. »Du wirst dich mir anschließen, Mädchen. Du wirst meine Pferde zureiten, und du wirst lächeln. Und alle Männer werden sagen, dass die wiedergeborene Jagdbeute mit Thegan reitet und dass sein Glück ihm das Bett warm hält.«
Er machte sich nicht einmal die Mühe, ihr offen zu drohen. In seiner Stimme lag so viel Drohung, dass er es nicht nötig hatte. Sie zitterte. Zunächst glaubte sie, dass dies Angst war, verbunden mit der Angst, sich vor ihm zu demütigen, indem sie vor Schreck zitterte. Dann aber erkannte sie es als so große Wut, dass diese sie zu zerreißen drohte. Eine so große Wut hatte sie noch niemals verspürt, und sie spürte, dass der Zorn der Götter wie auch der ihre in ihr anschwoll. Gotteslästerer, dachte sie, und bei diesem Gedanken war sie wieder ruhig. Sie hob den Kopf.
»Nein. Das werde ich nicht«, sagte sie.
Er betrachtete sie eine ganze Weile. In diesem Moment zeigte er sein wahres Gesicht, ohne die Maske, und sie sah die tief eingeschnittenen Falten, die von der Nase zu den Mundwinkeln
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