Die Prophezeiung der Steine
Frage.
Ash schnappte die Worte für Eindringlinge auf, aber wo? Er schüttelte den Kopf und durchwühlte seine Erinnerung nach Phrasen aus alten Liedern. Da war eine, eine Totenklage …
» Sive keiss fardassane, loll parlan marl «, sagte Ash. Geht langsam vom Schlachtfeld, die Eindringlinge sind fort.
» Loll? «, sagte der Mann erwartungsvoll.
Ash biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Er vollführte mit seinem Arm einen Kreis, der das ganze Land umschloss. » Nurl loll «, sagte er. » Fessarna .« Überall hingegangen. Erobert.
Die Gruppe stimmte ein Wehklagen an. Es war das gleiche Geräusch, das auch die Geister in Turvite von sich gegeben hatten, ein ähnlich wie eine Totenklage klingendes, widerhallendes Gejammer, das an den Nerven zerrte.
Die Sonne berührte den Horizont, und wie ein Mann wandten sich die Geister ihr zu, um sie anzuschauen, und
hoben die Hände als Zeichen ihrer Huldigung und ihres Abschieds.
»Wartet!«, sagte Ash, als sie zu verblassen begannen. »Wer hat euch gerufen? Warum? Viven! Jli vivel? Se?«
» Carse «, sagte der Mann und bemühte sich, noch einen Moment zu verweilen. Er streckte die Hand aus, berührte Ashs Ärmel und umfasste seinen Arm mit einer starken, gesunden Hand. Die Schneide der Sichel kam näher, und Ash konnte das Blut auf ihrer Klinge riechen. Frisches Blut. » Carse. Sarat .«
Dann verblassten sie.
»Was hat er gesagt?«, wollte Martine wissen. »Wer hat sie gerufen?«
»Ein Carse ist so etwas wie ein Zauberer - aber mehr als dieser. Jemand, der den Stamm anführt, ein Seher. Wie die Quelle der Geheimnisse.«
»Und Sarat ?«
»Rache«, sagte Ash ausdruckslos. Den Geruch des Blutes hatte er noch immer in der Nase, er erfüllte seinen Kopf. »Es bedeutet Rache.«
Sie blieben an der Furt stehen, unwillig, hinüber zu dem Dorf zu gehen.
»Es wäre vernünftiger, es zu umgehen und auf der anderen Seite wieder auf der Straße zu gehen«, sagte Martine.
»Auf der Sense war frisches Blut«, sagte Ash. »Wir müssen herausfinden, was passiert ist.«
»Warum? Wieso wir?«
»Weil sie zu uns gesprochen haben.« Erst als er es laut sagte, begriff er, dass er überzeugt davon war. Es war, als hätten die Worte der Geister ihm eine Bürde auferlegt, eine größere Verantwortung aufgebürdet, ihn an eine Leine genommen, die ihn zum Dorf zog, um dort mehr zu erfahren. Das Gefühl gefiel ihm nicht. Es ähnelte zu sehr der Situation
damals, als er um den schwarzen Felsaltar und die Eiche in Turvite gegangen war und gehört hatte, wie die einheimischen Götter ihn beim Namen riefen. Die Situation, als er den Glanz und den Schimmer auf Martines Haar gesehen hatte und wusste, dass er mehr sehen würde, wenn er sich nur konzentrierte … Er fröstelte in der Abenddämmerung. Er betrachtete den Bach, der glücklich und zufrieden durch die ausgehöhlten Felsen gurgelte. Aber er konnte sich nicht abwenden.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich es wissen will«, sagte Martine.
Er starrte sie an. Ihr Gesicht wirkte wie die Schnitzereien von Porträts der Toten, welche die Dorfbewohner zuweilen für Öffnungen der Grabhöhlen anfertigten.
»Ich habe genug Blut gesehen«, sagte sie.
»Und was ist, wenn es das Gleiche ist, was Elva bedroht?«
Sie schüttelte den Kopf, nicht um zu widersprechen, sondern um ihre Gedanken zu ordnen. »Du hast Recht«, sagte sie. »Das wäre … Das ist die Art, wie die Götter vorgehen.«
Also querten sie die Furt und gingen den Hügel hinauf zum Dorf.
Groß war es nicht, bestand im Wesentlichen aus einer Kreuzung mit einigen umliegenden Straßen, die schließlich im Wald mündeten. Es hatte jedoch zwei Gasthöfe und einen Mietstall, und einige Häuser an der Seite zur Furt hatten Schilder an ihren Türen mit Zeichnungen von Kopfkissen und einem Teller, das übliche Zeichen für Unterkünfte. Ash fiel auf, dass die Zeichnungen wunderschön ausgeführt worden waren, elegant mit dem Pinsel entworfen, statt wie in anderen Dörfern mit Kreide dahingekritzelt.
Alle Türen waren verriegelt. Irgendetwas stimmte hier
nicht; der Inhalt einer umgestürzten Regentonne hatte die staubige Straße in Schlamm verwandelt, und eine Reihe zerborstener Fenster hatte man hastig mit Brettern vernagelt. Aus einem Cottage drang der hohe, wehklagende Laut von Kummer, rhythmisch, als wiege sich die Weinende zu ihrer Totenklage hin und her, während die Schatten des Abends wie zur Antwort darauf immer länger wurden.
Martine klopfte an die Tür des
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