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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Mädchen. Die Wahrheit konnte sie ihnen nicht erzählen. Falls die Männer des Kriegsherrn je herausfanden, was geschehen war, würden sie jeden töten, der die Wahrheit kannte.
    Bramble lenkte sie ab, indem sie über den Umzug nach Carlion mit ihnen sprach, und täuschte dabei so viel Begeisterung vor, dass sie tatsächlich damit begannen, den Wegzug zu planen. Ihr Vater ging auf der Stelle hinaus, um den Wagen des Gepäckträgers zu bestellen, und sie fingen sogar schon mit dem Packen an. Die Einrichtung des Hauses
wurde allmählich zerlegt, und jede Decke, jedes Kleidungsstück wurde dazu zweckentfremdet, um etwas Zerbrechliches darin einzuwickeln.
    »Den Webstuhl werden wir bis ganz zuletzt hierbehalten müssen«, sagte ihre Mutter und fing an, Listen von all den Sachen zu machen, die sie vor ihrem Aufbruch noch würden erledigen müssen.
    Bramble nutzte die Gelegenheit, um sich davonzumachen, und eilte zu dem Rotschimmel. Zur Begrüßung kam er bis an die Umzäunung und beschnupperte ihr Gesicht. Sie tränkte ihn und ritt ihn dann wieder, trotz der Schmerzen in ihren Oberschenkeln. Sie führte ihn mit Berührungen an seinem Nacken oder indem sie ihn an der Mähne zog, führte ihn jedoch aus Angst, die Männer des Kriegsherrn könnten ihn sehen, nicht weit aus. Daher ritt sie nur um den Rand des tiefen Waldes herum, bis sie zur großen Felsspalte gelangten.
    Wooding lag in einem Tal an einem kleinen Fluss, der den wesentlich größeren Fallen River speiste, der bis nach Carlion und zum Meer floss. Direkt vor Wooding beschrieb der Fallen River eine Kurve und fiel dann plötzlich in eine tiefe Felsspalte, in eine Schlucht, die so tief war, dass es einen Tag dauerte, bis man hinabgeklettert und einen weiteren, bis man wieder hinaufgestiegen war. Auf der Hauptstraße, die ein wenig weiter oben durch das Dorf führte, war eine Holzbrücke, die auf gefährlich anmutende Weise den Abgrund überspannte. Die Brücke war einer der Gründe, warum Wooding wohlhabender war als die meisten anderen Dörfer: Eine andere Möglichkeit, nach Carlion zu kommen, gab es nicht. Im Gegensatz zu der Stelle, an der sich die Brücke befand, war die Felsspalte hier im Wald wesentlich schmaler, und der Fels auf beiden Seiten war brüchig und porös.

    Sehr nah führte Bramble den Rotschimmel nicht an den Rand, doch sie blieben eine Weile in dem Dunst und der Feuchtigkeit stehen, die aus dem wild aufgewühlten Fluss unterhalb emporstiegen, wo das Wasser über riesige Findlinge, die von den Klippen gestürzt waren, schlug und spritzte. Das Geräusch des Wasserfalls, von der flussaufwärts gelegenen Biegung knapp verborgen, erschütterte die Erde und machte den Rotschimmel nervös. Bramble glitt von seinem Rücken, um ihn zu beruhigen.
    »Hier ist nichts, wovor du Angst haben müsstest, mein Schatz«, sagte sie.
    Sie liebte diesen Ort. Sie liebte diesen jähen Abgrund, der sie scheinbar dazu verleiten wollte, sich von den Felsen zu stürzen und loszufliegen. Sie liebte das Tosen des Flusses, die Schaumkronen, die über dem Rand des Wasserfalls und entlang der Felsen brodelten. In den Wolken und dem Dunst des Abgrunds gab es Schwärme von Mauerseglern, die ihr ganzes Leben im Flug verbrachten und nur landeten, um Nester zu bauen und ihre Eier in den Spalten der Felswand abzulegen. Wenn man hinüberspähte, dann schien es so, als tauchten die Vögel aus dem Wasser hervor, ihre Kurven und ihr Flugspiel in der Luft waren wie die Spritzer weißen Schaums. Verkümmerte Bäume klammerten sich an die Felsvorsprünge, und noch in der kleinsten Nische wuchs Farn; die Felswand war selbst ein Wasserfall aus grünen Pflanzen und goldenem Gestein.
    Der Abgrund war das Wildeste, das sie kannte, so überraschend und gefährlich und wunderschön, und schon ihr ganzes Leben lang kam sie hierher, wenn sie sich in dem Dorf allzu beengt fühlte. Der Rotschimmel beruhigte sich unter der Berührung ihrer Hände und dem Klang ihrer Stimme und beugte sogar den Kopf vor, um den Abgrund interessiert zu begutachten.

    Bramble führte ihn zurück zur Höhle und striegelte ihn gründlich. Es widerstrebte ihr, ihn zurückzulassen. Schließlich band sie ihn für die Nacht an und rannte nach Hause.
    Nach dem Abendessen, am dritten Abend, nachdem sie den Mann getötet hatte, lehnte sie sich neben ihrem Großvater gegen das Tor und schaute die Straße hinunter, die aus dem Dorf führte.
    »Vermisst du es nicht?«, fragte sie ihn. Sie meinte dabei das, was die Wanderer den

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