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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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»Weg« nannten, das Umherziehen. Sie meinte all das, nach dem sie sich sehnte, ohne es beschreiben zu können.
    »Warum sollte ich, bei all dem, was mir hier lieb und teuer geworden ist?«, erwiderte ihr Großvater.
    Es war die gleiche Antwort, die sie schon ihr ganzes Leben lang zu hören bekommen hatte. Sie war zehn oder elf Jahre alt gewesen, als ihr aufging, dass er ihr nie direkt, sondern immer mit einer Gegenfrage antwortete. Und wohl erst mit dreizehn hatte sie den Blick in seinen Augen lesen können, wenn er an diesem Tor stand und die Straße hinunter auf den Horizont schaute.
    Heute Abend war sie nicht gewillt, diese Antwort hinzunehmen.
    »Wenn du es noch einmal machen müsstest«, sagte sie »wärst du dann sesshaft geworden?«
    Er drehte sich um und schaute sie an. Zwar hatte er eine Glatze, doch um seinen Schädel verlief nach wie vor ein Kranz dunklen Haars. Sein Gang war noch immer kerzengerade. Bramble erkannte in ihm den Mann, der er mit achtzehn gewesen war, als er sich die Hüfte gebrochen hatte und eine ganze Jahreszeit nicht hatte gehen können. Seine Eltern, die Trockensteinmaurer waren, hatten Brambles Urgroßmama dafür bezahlt, ihn bei sich aufzunehmen, bis er wieder reisefähig war und sich ihnen anschließen konnte.
Doch wenig später hatte er sich mit Brambles Oma heimlich auf den Heuschober geschlichen und ihren Vater gezeugt, sodass er schließlich blieb und von ihrem Urgroßvater das Tischlern erlernte.
    Er versuchte, ihren Blick zu deuten. »Du überlegst dir, ob du auf die Wanderschaft gehen sollst«, sagte er mit Bestimmtheit.
    »Daran denke ich schon mein ganzes Leben lang«, entgegnete sie unbekümmert, überrascht darüber, wie gut sie es verstecken konnte. »Daran hat sich nichts verändert.«
    Er wirkte erleichtert. »Das ist ein hartes Leben für ein junges Mädchen, so ganz allein. Wanderer sind nirgendwo beliebt. Tja, das weißt du ja.«
    »Ich weiß es schon, aber verstanden habe ich es nie.«
    »Manche Wanderer meinen, unser Anblick erinnere sie daran, dass sie nicht wirklich hierhergehören und dass das, was sie haben, gestohlen worden ist. Und das mache sie wütend. Aber ich denke mal, es ist bloß so, dass jeder jemanden haben möchte, auf den er herabblicken kann. Wenn der Kriegsherr dich rücksichtslos behandelt, ist es gut, wenn man jemand anderes, jemand Schwächeres verfluchen, schlagen oder treten kann. Dann kommt man sich stark vor.«
    »Und die Starken hassen die Schwachen«, sagte Bramble.
    Ihr Großvater sah sie stirnrunzelnd von der Seite an.
    »Das kann schon sein. Wie dem auch sei, allein unterwegs zu sein ist gefährlich. Einem Wanderer gegenüber lässt kein Kriegsherr Gerechtigkeit walten. Diebstahl, Schläge, ja sogar Mord zählen nicht, wenn es einen Wanderer trifft. Das ist das Schlimmste überhaupt. Im besten Fall werden wir wie Fremde behandelt. Als gehörten wir nirgends hin. Das kann hart sein, wenn man gesagt bekommt, dass man im eigenen Land nichts verloren hat. Vor allem, wenn man es
liebt.« Seine Stimme nahm einen wehmütigen Klang an. »Man muss es einfach lieben. Es ist überall wunderschön, vom kalten Norden bis zur Wüste im Süden. Wanderer lieben alles an ihm, nicht bloß die Gegend, in der sie geboren wurden.«
    »Und du vermisst es.«
    »Manchmal schon.« Er legte eine Pause ein. »Aber letzten Endes sind es die Menschen, die man liebt, die den Ausschlag geben. Unterwegs zu sein hält einem das Herz nicht warm. Denk daran, mein Schatz. Es mag dein Herz schneller schlagen lassen, aber es hält es nicht warm. Also ja, ich schätze mal, ich würde wieder sesshaft werden, wenn ich es noch einmal zu entscheiden hätte. Deine Oma war es wert, und ich bete darum, dass die Götter sie ruhen lassen, bis ich ihr Gesellschaft leisten kann, damit wir gemeinsam wieder neu geboren werden können.«
    Irgendwie war es nicht das, was sie hatte hören wollen, dennoch beruhigte es sie.
    Am nächsten Morgen wusch und kleidete sich Bramble sorgfältig. Sie fütterte die Gänse und Hühner, trug Wasser aus dem Fluss in die Küche, fegte die Hütte aus, richtete ihr Zimmer ordentlich und sauber und jätete sogar das vordere Kräuterbeet. Schließlich war es Zeit zu gehen.
    Sie ging hinab zum Flusslauf und wandte sich von dort gen Osten, um ihm bis zu der Linde zu folgen, wo der Geist des Toten aufsteigen würde. Udall, der alte Dachdecker, sammelte gerade Schilfrohr ein und nickte ihr höflich zu, sagte jedoch nichts. Er sprach nur, wenn er musste; er war

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