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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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laufen. Dann ertönte die Stimme der Mutter, tröstend, sanftmütig, am Ende jedoch bestimmt. Die Mutter sagte das Gleiche mehrmals, und dann waren sie außer Hörweite.
    »Was hat sie gesagt?«, wollte Bramble wissen.
    »Horch auf den See, sie wird dich anhören«, sagte er. »Das sagen Mütter, wenn ihre Kinder jammern und sie es nicht mehr anhören können. Horch auf den See. Es bedeutet, wenn du ruhig bist und den See unten gegen das Haus plätschern hören kannst, dann erfüllt dir der See vielleicht deine Wünsche.« Er grinste. »Aber in Wirklichkeit bedeutet es ein Nein.«
    Sie erwiderte sein Lächeln. »Gibt der See denn einem Kind nie, was es sich wünscht?«
    Er nickte. »O doch, oft sogar. Ein verlorenes Spielzeug treibt wieder zurück, das Kind fängt einen schönen Fisch … viele Sachen. Der See liebt Kinder und sorgt für sie.«
    »Und Erwachsene?«
    Dieses Mal war sein Lächeln voller Reue. »Der See gibt einem Erwachsenen das, was er begehrt, aber nur ein einziges Mal im Leben, sodass man sehr von dem überzeugt sein muss, was man sich wünscht. Manche Menschen gehen ins Grab, ohne jemals um etwas gebeten zu haben, aus Angst, das Falsche zu sagen und den Wunsch zu vergeuden. Andere bitten zu früh um etwas, das wertlos ist, und müssen
mit diesem Fehler dann den Rest ihres Lebens verbringen. Wie ich.«
    Sie schaute ihn fragend an.
    Er zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht. »Ich bat um die Tochter des Schmieds in der Stadt. Nun, ich habe sie bekommen!« Dann fing er unbändig an zu lachen und warf dabei den Kopf in den Nacken.
    Bramble musste ebenfalls lachen. Allerdings stellte sie sich die Frage, wie viel Verletzung sich hinter seinem Lachen verbarg und wie sehr ihn das Gelächter anderer dazu gebracht hatte, sich selbst zu verspotten. Er durfte nicht mehr daran denken und musste eine Möglichkeit finden, sich ihnen gegenüber zu beweisen, damit sie aufhörten, über ihn zu lachen. Bramble ernüchterte. Zweifellos würde Thegans Angriff ihm jede Möglichkeit dazu bieten.
    »›Sie gibt uns alles, was wir brauchen, und erwartet im Gegenzug Gehorsam‹«, sagte Salamander, offenkundig zitierend.
    Bramble zog die Brauen hoch. »Und was, wenn man ihr nicht gehorcht?«
    »Sie nimmt sich, was ihr zusteht, entweder im Leben oder durch den Tod. Nur ein Narr widersetzt sich dem See. Es heißt, die Fische nagen einem die Knochen ganz sauber ab, aber ich möchte lieber, dass meine Leiche verbrannt wird. Nach einem friedlichen und langen Leben.«
    So viel zum Wohlwollen des Sees. Vielleicht war es ja auch besser so, denn sie würde rücksichtslos sein müssen, um ihr Volk vor Thegan zu beschützen. Salamander lenkte das Boot sanft gegen ein kleines Schilfhaus, das kaum grö ßer war als ein Raum.
    »Dein Schlafhaus«, sagte er. »Schlaf gut. Horch auf den See, und sie wird dich trösten. Wer weiß? Vielleicht spricht sie ja mit dir.«

    »Ich werde lauschen. Gute Nacht und danke.«
    Ihr Gepäck war bereits im Haus und lag auf roten Matten. Ein dicker Teppich war offenkundig als Bett gedacht. Eine Lichtquelle hatte Salamander ihr zwar nicht hinterlassen, doch die Fensterläden waren nicht geschlossen, und das sporadische Mondlicht war so hell, dass sie den Nachttopf finden und benutzen und dann zurück ins Bett gehen und sich unter ihrer Lieblingsdecke einrollen konnte, mit einer Tasche als Kissen. Die herbstliche Nacht war kühl, und sie war froh über die Decke. Zwar fragte sie sich, wo wohl die Pferde waren, doch hatte sie lange genug beobachtet, wie Eels Leute sie behandelten, sodass sie davon überzeugt war, dass es ihnen gut ging. Sie betrachtete den Mond und lauschte dem See, hörte jedoch lediglich das leise Geräusch des gegen die Pfähle schwappenden Wassers und schlief schließlich ein.
    Sie träumte, Maryrose riefe ihr zu, sie solle aufstehen. Daraufhin stand sie tatsächlich auf und trat ans Fenster, von wo die Stimme gekommen war. Schon während des Gehens wusste sie, dass sie immer noch träumte, weil draußen nun Vollmond war, während es beim Einschlafen erst Halbmond gewesen war. Außerdem schwappte das Wasser des Sees höher als zuvor gegen die Pfähle ihrer Hütte, als sei es Frühling und der See durch das Schmelzwasser angestiegen. Eine warme, leichte Brise blies ihr sanft ins Gesicht.
    Draußen konnte sie keine einzige Hütte erkennen, auch nicht die Inseln, zwischen denen Salamander am vergangenen Abend hindurchgestakt war. Nur den See konnte sie erkennen, der sich im

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