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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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auf ihn zu, und als er sich plötzlich umdrehte, so scharf wie das Messer, das er
gegen mich richtete, war es zu spät. Fast hätte ich ihn gehabt - ich war schnell, ich war verdammt schnell. Doch er war schneller. Ich erkannte ihn, als er mich an der Schulter erwischte - Doronits neuer Liebling, der junge Wanderer. Seine Augen waren vor Angst und Entsetzen geweitet. Er hat noch keine Ahnung vom Töten , dachte ich, als wenn das für mich eine Rolle gespielt hätte. Noch hatte er es wirklich nicht. Dann drang sein Messer erneut ein, und es war vorbei.
    Überraschenderweise spürt man gar nicht so viel Schmerz, wenn das Messer eindringt; erst wenn es wieder herausgezogen wird, tut es richtig weh. Alles in allem war es gar kein so schlechter Tod. Schnell. Sauber. Vorbei. Und das war eine Erleichterung. Mir kam es so vor - in dem Augenblick, in dem ich aufhörte, etwas zu sehen, und spürte, dass ich, mein Ich, immer noch weitermachte -, dass ich es womöglich Doronits Liebling zu verdanken hatte, endlich frei zu sein.
    Aber eines Tages würde ich gern zu den Valuern gehen. Wenn nicht in diesem Leben, dann vielleicht im nächsten.

Saker
    Er brauchte Knochen. Die richtigen Knochen, solche, die ruhelos in der Erde gelegen hatten.
    Er ging in seine Werkstatt, zu der großen, auf dem Tisch ausgebreiteten Landkarte, der vollständigsten Karte der Domänen, die er je hatte erwerben können. Einige wenige Stätten, an denen es Massaker gegeben hatte, waren in Rot markiert - Death Pass, Turvite, Carlion. Aber zu wenige. Es waren viel mehr abgeschlachtet worden. Die Regale um ihn herum waren mit sorgfältig verstauten Schriftrollen gefüllt, doch nur ein kleiner Teil der Informationen auf ihnen war von Nutzen. Was scherten ihn die Namen der Mörder oder wer ihre Väter gewesen waren? Warum sollte es ihn interessieren, wie sie ihre Waffen gehalten hatten, wie sie diese gegen sein Volk gerichtet hatten, sein friedliches, sanftes Volk? Die Gedichte und Geschichten waren von den Angreifern geschrieben worden und gaben nichts preis über diejenigen, die getötet worden waren, geschweige denn, wo sich ihre Knochen würden finden lassen.
    Den Kopf schwer auf die Hände gestützt, sank Saker am Tisch zusammen. Wieder einmal endete eine Nacht des Studiums frustrierend. Es musste noch mehr Schriftrollen geben, mit anderen Geschichten … Er spürte den Beutel Steine an seiner Hüfte. Immerhin hatte Freite, die Zauberin, ihn gelehrt, wie man sie deuten musste, hatte ihm so eine Möglichkeit
verschafft, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Es brachte nichts, die Steine für sich selbst zu werfen, das wusste man als Steinedeuter. Es brachte nichts und konnte sogar gefährlich sein. Aber manchmal konnte man der Versuchung nicht widerstehen. Er vergrub seine Hand in dem Beutel, holte die notwendigen fünf Steine hervor und warf sie mit einer geübten schnellen Drehung des Handgelenks. Sie landeten jedoch nicht bogenförmig ausgebreitet auf dem Tisch, sondern dicht zusammengedrängt an einer Stelle, mit der Stirnseite nach unten. Genau über Connay, nördlich von Whitehaven. Zwei Tagesmärsche entfernt.
    Er machte sich gar nicht erst die Mühe, die Steine umzudrehen. Ihre Position reichte aus. Connay . Die Götter hatten ihm ein Zeichen gegeben. Das, was er brauchte, würde er in Connay finden. Er packte seine Sachen und hob die Steine dann fast widerwillig wieder auf: Rache und Jubel, Tod und schmerzlicher Verlust, und auf ihnen allen lag der Chaosstein. Seine Stimmung stieg. Es waren genau die gleichen Steine wie bei jenem ersten Steinedeuten nach Freites Tod. Saker fragte sich, warum Tod, schmerzlicher Verlust und Chaos nun mit der Stirnseite nach unten lagen. Heimlich , dachte er, ich muss heimlich arbeiten. Das ist die Botschaft der Steine . Pfeifend trat er hinaus und machte sich auf den Weg nach Connay.

Bramble
    Um für alle Fälle gerüstet zu sein, wollte Bramble schon früh an der Linde sein. Geister erwachen, wenn sie denn erwachen, drei Tage nach dem Tod, aber nicht auf die Minute. Es konnte eine Stunde früher oder zwei Stunden später sein. Manche Geister kamen nie - diejenigen, die langsam gestorben waren und gewusst hatten, dass sie im Sterben lagen, und die Zeit gehabt hatten, sich von allen zu verabschieden. »Mögest du kein Wiedergänger werden« war ein Segensspruch, war der Wunsch, dass die Götter einem einen guten Tod bescherten, der einem keinen Grund gab, zurückzukehren, um sich zu verabschieden oder um Vergebung

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