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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Städten, doch in Turvite gibt es zu viele Geister, als dass wir daran glauben könnten. Kein Grund zur Klage, sage ich, nicht, wenn man gleich um die nächste Ecke ein leichtes Opfer findet, einen Hasenfuß mit einer dicken Börse.
    Und ich hatte schon Glück, auch wenn ich ein paarmal töten musste, um an diese Börsen zu gelangen. In den dunklen Gassen ist ein Menschenleben nicht viel wert. Sie nannten mich nicht nur Marvel, das Wunder, sondern auch Gutter, die Ausnehmerin. Es ist nämlich so, dass ich nicht groß bin, und ich komme nicht im richtigen Winkel an die Kehle eines ausgewachsenen Mannes, um sie ihm sauber und leise durchschneiden zu können. Jemandem das Messer ins Herz zu stechen ist eine knifflige Angelegenheit, ganz gleich, was man euch dazu erzählt hat, vor allem dann, wenn sie fett sind. Also konnte ich ihnen bestenfalls die Klinge direkt
über der Schamgegend einführen und sie von unten bis hinauf zur Speiseröhre aufschlitzen. Die andere Sache ist die: Wenn sie einen Wintermantel tragen, kommt meistens nicht allzu viel Blut darauf, sodass man den dann auch noch verhökern kann.
    Wenn man klein und jung ist, ist es gut, den Ruf einer Ausnehmerin zu haben. Hält einem die Schläger vom Leib. Hält die Zuhälter ab und die Mädchenhändler. Diese verschleppen Frauen an Bord der zu den Wind Cities segelnden Schiffe, um die Matrosen zu beglücken und um sie am Ende an Bordelle zu verkaufen. Einem Mädchenhändler, der das mal bei mir versucht hat, habe ich die Eier abgeschnitten und sie ihm ins Maul gesteckt.
    Nie musste ich bumsen, um etwas zu essen zu bekommen. Kein einziges Mal. Mein Bruder hat sich früher auf diese Art sein Brot verdient, bis ihn der Mohnsaft erledigt hat, und ich schwöre, dass mir das nie passieren wird. Lieber fünfzig Männer umbringen müssen als einen auf diese Weise auf mir liegen zu lassen.
    Nachdem mein Bruder gestorben war, wurde das Leben leichter, ich musste nicht mehr für ihn Silbergeld auftreiben, damit er sich seinen Saft kaufen konnte. Ich fing an, zu sparen für … für irgendwas, ich weiß nicht was. Um ein Handwerk zu erlernen? Ein eigenes Geschäft zu eröffnen? Ich dachte, ich könnte vielleicht unten auf dem Markt Fische oder selbst gezogene Kerzen verkaufen. So weit hergeholt war das nicht. Schau sich doch nur einer Doronit an. Sie kam so arm wie ich in Turvite an, und jetzt wird sie auf die Bankette der Kaufleute eingeladen! Ich wollte sein wie sie. Das bringt euch zum Lachen, nicht wahr?
    Manchmal, wenn ich mir hinterher die Hände gewaschen habe, dachte ich darüber nach, zur Valuer Plantage zu gehen. Mir gefiel die Denkweise der Valuer, dass es keine
Kriegsherren oder hochgeborene Familien geben sollte, dass das Leben von niemand mehr wert ist als das eines anderen - jeder ist gleich viel wert - und dass die Reichen mit den Armen teilen sollten, damit niemand Hunger leidet. Es heißt, jeder sei willkommen auf der Plantage, wirklich jeder. Allerdings fragte ich mich, was sie zu mir sagen würden - ich lebte ja so, als hätte kein Leben irgendeinen Wert.
    Früh am Morgen, bevor ich schlafen ging, dachte ich manchmal: Ich spare und gehe dann zur Quelle der Geheimnisse und beichte. Es heißt, sie kann einem das Blut von den Händen wegzaubern. Dann gehe ich zu den Valuern, und wenn meine Hände sauber sind, lassen sie mich ja vielleicht rein. Es entwickelte sich so, dass ich darüber nachts und auch morgens nachdachte, es mir während der ganzen Reise durch Carlion und dann landeinwärts nach Pless und weiter nach Norden vor Augen hielt und vorstellte, wie ich am Ziel meiner Reise willkommen geheißen würde. Ich bin vielleicht öfter, als ich es hätte tun sollen, losgezogen, um Hasenfüße mit fetten Börsen zu finden. Ich bin Risiken eingegangen, zum Beispiel indem ich jungen wie alten Männern nachstellte. Ich hätte es besser wissen sollen.
    Ich hätte Lunte riechen müssen, als ich diesen betrunkenen jungen Burschen, dessen pralle Börse an seiner Hüfte baumelte, durch die Gasse torkeln sah, in der ich nach Opfern Ausschau hielt. Im Nachhinein betrachtet war mir wohl bewusst, dass er ein bisschen zu jung war, und er bewegte sich zu kontrolliert, um ein betrunkener Kaufmannssohn zu sein, ganz gleich wie er gekleidet sein mochte. Aber Shiv und Dimple hatten ihn auch schon erspäht und machten sich daran, ihm zu folgen, und ich dachte: Ich muss ihn zuerst kriegen, ich muss diese dicke, fette Börse kriegen.
    Also rannte ich los, machte einen Satz

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