Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
oder? Wer will schon alles leicht haben?“ Lachend setzten sie ihren Weg fort.
Ein paar Gassen später verharrte Jason vor einer Gruppe von Künstlern, die eine Außenmauer des Schulgartens verzierten. Drei formten aus einer betonartigen Mischung Bäume, Tiere und Ingadis. Zwei weitere malten die getrockneten Ornamente farbig aus.
„Das sieht wunderschön und echt gekonnt aus.“ Fragend schaute Jason zu Callum. „Wer bezahlt das eigentlich alles? Verfügt die Schule über so viel Geld?“
Callum schüttelte den Kopf. „Die wenigsten dieser Arbeiten werden direkt entlohnt. Aber auf Tandoran erhält jeder Mensch in den Städten und Dörfern ein Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Gulden vom Staat. Damit kannst du Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf bezahlen. Ohne, dass du dafür etwas leisten musst. Darum gibt es Heerscharen von Künstlern auf Tandoran - viele Menschen gehen hier einer Berufung nach.“
„Hmm. Geld für nix? Warum liegen dann nicht alle auf der faulen Haut?“ Langsam schritten Callum und Jason weiter in Richtung der Ställe.
Callum lächelte: „Du hast schon recht. Manche geben ihr ganzes Geld in den Gastwirtschaften aus. Doch glücklich werden sie dabei nicht. Und das wissen sie auch.“
Verständnislos starrte Jason ihn an.
Sein Lehrer erläuterte: „In unseren Schulen gibt es doch das Fach Glückslehre. Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der Mensch zum Glücklichsein eine Tätigkeit braucht, das rechte Maß aus Arbeit und Ruhe. Wer sich nur der Trägheit oder dem Amüsement hingibt, verkümmert innerlich, wird melancholisch, depressiv.“ Callum öffnete seine Arme fragend: „Und wer will das schon. So sucht jeder eine Beschäftigung, bei der er seine Stärken zur Geltung bringen kann und die ihm Freude bereitet. Und Freude resultiert auch aus dem Lob, das du von anderen für deine Werke erhältst. Darum sind nahezu alle Betätigungen, denen die Menschen nachgehen, für die Allgemeinheit nützlich. Wir werden gemeinschaftsverbunden erzogen, ansonsten würde das System nicht funktionieren.“
„Aber wie finanziert sich denn das Ganze? Hat die oberste Richterin einen riesigen Schatz, den sie über das Volk streut?“
„Das meiste wird mit Verkaufssteuern eingenommen. Vom Erlös jeder verkauften Ware erhält der Staat die Hälfte. Dann gibt es noch Grundsteuern, Landsteuern und Einkommenssteuern. Fast alle verdienen ja über ihr Grundeinkommen hinaus und müssen auf diese zusätzlichen Einnahmen Steuern zahlen. Und weil die Bodenschätze dem Land gehören, kommt auch darüber manch Gulden ins Steuersäckel. Da die Aufgaben des Staates ansonsten relativ gering sind, rechnet sich das Ganze. Wobei, seit wir für den Krieg rüsten, zehren die Ausgaben schon an den Reserven. Wahrscheinlich wird das Grundeinkommen in den nächsten Monaten nach unten angepasst. Ein Tribut an die Bedrohung aus dem Norden.“
„Auf der Erde würde das nicht funktionieren“, bezweifelte Jason. „Die meisten würden den ganzen Tag vorm Fernseher oder am Computer hocken.“
„Sei dir nicht so sicher, Jason. Arbeitsscheu ist der Mensch nur, wenn er keinen Sinn in seiner Tätigkeit sieht. Aber wenn du ...“
„Jason, Callum!“ Meister Allandos Stimme rief die beiden. Er saß mit Meister Diestelbart im Außenbereich eines Cafés in der Nähe eines Brunnens. Das Caféhaus bestand aus Fachwerk und wurde von einem giebelförmigen Reetdach gekrönt. Damit stach es aus den anderen Häusern, die den belebten Platz säumten, hervor wie ein schwarzes Küken unter lauter gelben. Alle übrigen Bauten waren mit einem kuppelförmigen Dach versehen.
In der Mitte des den Platz dominierenden Brunnens erhob sich ein steinerner Baum. Aus den Enden der Äste rieselte das Wasser zurück in ein Auffangbecken. Callum und Jason umrundeten das Kunstwerk und setzten sich auf Stühle, die ihnen zugeschoben wurden. Die zwei Meister begrüßten Callum mit einer Umarmung, Jason erhielt ein freundliches Nicken.
Wahrscheinlich hatte ihnen Ratsmeisterin Tradan eingeimpft, mich so weit wie möglich vor einer Ansteckung zu beschützen , murrte er in Gedanken. Jetzt wurde er also noch nicht einmal umarmt. Mit einem Stich in der Magengrube erinnerte er sich daran, dass heute die erste der vier Flaschen Goldwasser leer geworden war. Außerdem fühlte er sich bei dieser distanzierten Behandlung separiert, er war hier Außenseiter.
„Trinkt an diesem herrlichen Nachmittag mit uns einen Kaffee. Ich lade euch ein.“
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