Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
anvertraut hatte. Und Vurup war ihm gegenüber immer anständig gewesen. Er wird schwer bestraft werden, wenn mir die Flucht gelingt. Aber darauf darf ich keine Rücksicht nehmen.
„Ich ... ich kann nicht.“ Ethan krümmte sich noch einmal um seine Sinithfaust zusammen. „Mein Magen ... solche Schmerzen.“
Vurup trat näher an ihn heran. Beißender Schweißgeruch stieg in Ethans Nase. Der Aufseher musste sich seit Tagen nicht gewaschen haben, da er es schaffte, den Gestank aus dem Fäkalieneimer in der Zelle zu übertrumpfen.
„Kein Wunder, wenn du dein Essen immer zurückgehen lässt. Nicht mit mir, Freundchen. Der Freigang muss sein, sonst setzt es Hiebe für mich. Los, hoch!“
Vurup fasste Ethan unter die Arme. Scheinbar mühevoll rappelte dieser sich auf, sackte aber gleich auf seine Liege nieder.
„Ich kann die Faust nicht mehr tragen. Zu schwer.“ Ethan schloss theatralisch die Augen.
Vurup stemmte die Hände in die Hüften und schaute ihn grimmig mit heruntergezogenen Augenbrauen an. Er überlegte offenkundig, wie er das Problem lösen könnte. Ethan hoffte, dass er von selbst auf die gewünschte Lösung käme.
Und es ging gut. Vurup murrte: „Dann mal ausnahmsweise ohne Kugel. Die Fuß- und Handfesseln reichen ohnehin aus.“
Ethan unterdrückte ein Gefühl des Triumphes. Der Wärter trat in den Vorraum und holte einen Schlüsselbund. Er war sich offenbar sicher, dass von Ethan in seinem Zustand keine Gefahr ausginge. Zügig löste er die Faustkette von den Fußgelenken. Dann zog er seinen Gefangenen vom Bett hoch und drängte ihn aus der Zelle.
Ethan tat, als strauchele er und schlurfte langsam voran.
„Los, los und denk dran, dass wir rechts gehen müssen.“ Vurup winkte dem zweiten Wärter im Vorraum der Zellen kurz zu. Dieser wippte, die Füße auf dem Tisch, auf zwei Stuhlbeinen hin und her und nickte knapp zurück. Seit vier Tagen wurde der direkte Weg von den Kerkern zum Freigelände repariert. Dieser Umstand sollte Ethan die Flucht ermöglichen. Bauarbeiter hatten auf dem gewohnten Weg Gerüste aufgestellt, um lose Steine in der Decke zu befestigen. Von daher mussten Vurup und er heute einen anderen Weg wählen, und auf diesem wollte Ethan zuschlagen.
Sie umrundeten eine Ecke und befanden sich alleine in einem zehn Meter langen Gang, der nur spärlich von drei Steinfackeln erleuchtet wurde. Hoffentlich werde ich schnell genug sein . Ethan verfiel in eine trottende, stolpernde Gangart und konzentrierte sich auf das wenige Limar, über das er noch verfügte. Wie erhofft stieß ihn Vurup an der Schulter nach vorne, damit er zügiger ginge. Auf diesen Moment hatte Ethan gewartet. Blitzschnell wirbelte er herum und umfasste mit der rechten Hand den Hals des Wärters seitlich. Dann drückte er mit einem kleinen Limarstoß dessen Halsschlagader zusammen.
Angsterfüllt blickte Ethan Vurup in dessen erstauntes Gesicht. Würde sein bisschen Limar ausreichen? Es vergingen Stunden, zumindest scheinbar, bis der Körper des Wärters mit weit aufgerissenen Augen erschlaffte und auf den Boden niedersank. In Wirklichkeit dauerte es natürlich nur einige Sekunden.
Erleichtert lehnte sich Ethan an die Wand und wartete, bis sich sein Herz auf ein Normalmaß beruhigt hatte. Zu seiner Freude hörte er keine Geräusche von irgendwelchen Wärtern. Doch ihm blieb nicht viel Zeit. Rasch schritt er zur Tür in der Mitte des Ganges, auf der seine ganze Hoffnung aufbaute. Ein Glücksgefühl durchströmte ihn, als sie sich widerstandslos öffnen ließ. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass dahinter eine gewendelte Steintreppe nach oben führte.
„Du bist neu“, sagte er zu der Treppe. Als er noch auf Burg Saranam gewohnt hatte, stand hier nur eine wackelige Leiterkonstruktion. Hastig zog er den ohnmächtigen Vurup in den kleinen Raum hinein und lehnte ihn gegen ein Regal. Das Kinn des Gefängnisaufsehers lag regungslos auf dessen Brust. Eigentlich müsste er ihn fesseln und knebeln, aber dafür fehlten ihm die notwendigen Hilfsmittel.
„Das muss auch so gehen“, flüsterte er zu sich selbst und trat auf die Stufen. So schnell es ihm seine Fußfesseln erlaubten, eilte er hinauf. Mehrfach verharrte er und lauschte, ob sich von irgendwoher ein Mensch nähert. Schließlich erreichte er eine halbrunde Bogentür. Vorsichtig öffnete er diese einen Spalt und blickte hindurch.
Es handelte sich um eine lang gezogene Kammer. An den Wänden hingen die Waffen und Uniformen der Gefängnismannschaft. Kein Aufseher
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