Die Prophezeiung von Umbria
wusste, dass Maura dies für eine Gnade des Allgebers hielt. Auch wenn er sich noch so gerne darüber lustig gemacht hätte, ihr Problem war auf eine so elegante Art gelöst worden, dass er ebenfalls versucht war, das alles nicht nur für einen Zufall zu halten.
Vorsichtig blickte er sich um, um sicherzugehen, dass niemand in Hörweite war. Dann neigte er sich zu der Ladung Heu hinüber, die sich hinter ihm auftürmte. “Wie fühlst du dich? Kannst du da drin atmen?”
Er beneidete sie nicht darum, unter dem Heu versteckt reisen zu müssen, aber es gab keine andere Möglichkeit. Beim Lenker vorne war nur Platz für zwei, und außerdem hatte Blen gemeint, es sähe etwas eigenartig aus, wenn eine Frau mit ihnen reisen würde.
Seit ihrem Scharmützel mit den Han an Raynors Spalte und den Tagen, an denen sie Blen und Tesha auf ihrem kleinen Bauernhof ausgeholfen hatten, beschäftigten seine Gedanken sich immer mehr mit ihrem Wohlbefinden. Selbst im Schlaf fand er keine Ruhe. In seinen Albträumen des Nachts wurde sie von lüsternen Han und mörderischen Echtroi verfolgt, und immer musste er machtlos dabei zusehen und konnte ihr nicht helfen.
Vor drei Nächten war er aus einem dieser grauenhaften Träume aufgewacht und hatte sie neben sich liegen gesehen, von sanftem Mondlicht umflossen, eingehüllt in die unschuldige Schönheit eines tiefen Schlafs. Voller Erleichterung hatte er wach gelegen und auf sie aufgepasst.
Er hörte, wie es hinter ihm im Heu raschelte. Mauras Stimme schien aus dem Nirgendwo zu kommen. “Es ist heiß, und das Heu juckt mich im Nacken, aber ich kann ganz gut atmen.”
“Wir werden bald eine Rast einlegen.” Blen schaute sich um, als wollte er feststellen, wie weit sie gekommen waren und wie weit sie noch fahren mussten.
“Old Patchel braucht Gras und Wasser.” Er deutete mit dem Kopf auf den großen, grobknochigen Wallach, der den Wagen zog. “Ich werde nach einem ruhigen Plätzchen Ausschau halten, wo Ihr sicher rauskommen und Euch ein wenig abkühlen könnt, Mistress.”
Rath dankte dem Bauern. “Wie viele Tage sind es noch bis Venard?”
Er und Maura hatten vor, sich von Blen zu trennen, bevor er in die Stadt fuhr, um dort sein Heu zu verkaufen. Würden sie Glück haben – oder die Gnade – und eine weitere Mitfahrgelegenheit bekommen, die sie weiter nach Norden brächte?
“Nicht mehr als drei, würde ich meinen.” Blen warf einen besorgten Blick auf eine Wolkenbank, die sich im Westen auftürmte. “Wenn das Wetter hält.”
Die beiden Männer begannen ein Gespräch über das Wetter, Blens Kampf, seine Familie zu ernähren, und über die hohen Steuern, welche die Han erhoben.
“Wenn wir nicht die Heuernte hätten, wüsste ich nicht, was ich machen sollte. Unser Heu kann früher gemäht werden als jedes andere in Westborne, und ich bekomme in Venard einen guten Preis dafür, weil so wenig Weideland rund um die Stadt ist. Ich nehme nicht an, dass Ihr mit mir wieder zurückkommen werdet? Letztes Jahr wurden mir meine ganzen Einkäufe auf dem Rückweg geklaut. Das war dann ein hungriger Winter. Kein Wunder, dass die Kleinen krank sind.”
“Ich wünschte, wir könnten es.” Rath meinte es ernst.
Während ihres kurzen Aufenthalts auf Blens Hof hatte er hart gearbeitet. Auch wenn er sich sagte, dass er damit für die Fahrt nach Norden “bezahlte”, erfüllte ihn doch Stolz und Befriedigung bei der Vorstellung, dass er Blen, Tesha und den Kindern half.
Ihm war warm ums Herz geworden, als er gesehen hatte, wie Maura mit ihrem heilenden Zauber die Kinder behandelte. Es war mehr gewesen, als nur der Gebrauch von Kräutern und scharf riechenden Salben. Ihr Lächeln und ihre Geschichten hatten die Fröhlichkeit in den Kleinen wieder erweckt. Immer wenn Rath sah, wie liebevoll sie mit Blens und Teshas Säugling umging, schnürte ihm ein zärtliches Gefühl, das er sich selbst nicht eingestehen wollte, die Kehle zu.
Er wünschte sich mit aller Macht, sie beide könnten mit Blen zurückkehren und den Wartenden König und alles, was mit ihm zusammenhing, einfach vergessen.
“Wir … werden erwartet”, fügte er erklärend hinzu. “Oben im Norden, in vierzehn Tagen.”
Der Gedanke daran, wie schnell die Zeit verging, schmerzte Rath in tiefster Seele. Es war schon seltsam, dass er Mühe hatte, an den Wartenden König zu glauben, der Umbria befreien würde. Aber der Wartende König, der ihm Maura fortnehmen würde, war nur allzu wirklich und bestimmte seine
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