Die Prophezeiung von Umbria
der Dämmerung kroch das schlammige Wasser des Namenlosen Flusses durch das Endlose Moor. Außer dem unheimlichen Innern des Blutmond-Gebirges gab es kaum einen Ort im Königreich, den Rath noch weniger kennenlernen wollte.
Deswegen setzte er, nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, seinen Lauf in Richtung Süden fort. Er lief ruhig und gleichmäßig wie ein Wolf, der eine Fährte verfolgte. Und wie ein Wolf achtete er mit geschärften Sinnen auf das kleinste Anzeichen von drohender Gefahr.
Als er die Schlachtenheide nördlich von Aldwood erreichte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel, halb verdeckt von dicken Wolkenbänken.
“Was ist das denn?”, murmelte er, während er erstaunt die rätselhaften Spuren am Boden betrachtete.
Maura und ihr Begleiter hatten hier Halt gemacht, und das Pony hatte genug Zeit gefunden, einen kleinen Flecken Gras abzuweiden.
An einer Stelle war das Farnkraut platt gewalzt, als wäre etwas Großes drüber weggerollt. Was immer es gewesen war, es hatte an zwei Stellen das Gras zerdrückt und …
Rath betrachtete einen verschmierten Fleck an einem Felsen etwas genauer. Er wusste sofort, was es war. Blut! Unruhig ließ er den Blick umherschweifen. Ein winziger Farbfleck an einem Busch zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein langer grüner Wollfaden, der sich im Wind bewegte. Rath hätte wetten mögen, dass er von Mauras Umhang stammte.
Während er niederkniete, um den Faden genauer zu betrachten, stieg ihm ein feiner Duft in die Nase, der nicht hierher gehörte. Der schwache, würzige Kräutergeruch erinnerte ihn an Langbards Cottage.
Wie passte das nur alles zusammen? Was war geschehen? In Gedanken stellte er sich alles Mögliche vor. Und manches wollte er sich gar nicht vorstellen.
Doch was immer auch geschehen war, er durfte keine Zeit verschwenden. Er musste die Fährte wieder aufnehmen und ihr folgen, bis er Maura gefunden hatte. Dann konnte sie ihm ja alles erzählen.
Noch einmal umrundete er den Platz. Dann hatte er gefunden, was er suchte. Eine deutliche Spur, die wiederum nach Süden führte. Wenn er sich nicht sehr täuschte, waren jetzt mehrere Personen dazugekommen.
Die Wolken spuckten jetzt dicke Regentropfen aus, und Rath hoffte, dass nicht ein Wolkenbruch die Fährte wegwaschen würde.
Etwas erfrischt durch die kleine Unterbrechung, nahm er die Verfolgung wieder auf. Wenn er nur ein paar von Mauras Federn hätte! Und vielleicht gab es ja irgendein Kraut, das einen Mann schneller rennen ließ?
“Wer hätte gedacht, dass ich einmal nach Zaubermitteln verlangen würde!”, brummte er kopfschüttelnd.
Aber das Lachen blieb ihm in der Kehle stecken. Er duckte sich blitzschnell.
Er hatte den Kamm einer kleinen Hügelkette erklommen, die sich über Aldwood erhob. So weit er sehen konnte, erstreckte sich nach Osten nur Wald. Auch im Westen war ein großer Teil der Landschaft mit Wald bedeckt. Am Waldrand konnte er einige Männer kommen und gehen sehen. Er hoffte, dass sie ihn nicht bemerkt hatten.
In einiger Entfernung zum Waldrand stiegen zwischen den Bäumen dünne Rauchsäulen auf. Rath vermutete, dass sie von den Feuerstellen eines großen und wahrscheinlich gut organisierten Lagers kamen.
Doch wessen Lager?
Stimmen hinter ihm ließen ihn nach einem Versteck suchen. Wären die beiden Männer, die kurz darauf in sein Blickfeld traten, aufmerksamer gewesen, hätte es schlimm für ihn ausgehen können. Doch sie waren glücklicherweise ins Gespräch vertieft.
“Turgen wird ganz schön wütend sein”, meinte der Größere der beiden, der einen Kurzbogen über der Schulter trug. “Ich wette, Vang hat sich halb tot gelacht, dass die drei so reingelegt wurden.”
“Ich gäb' was drum, wenn ich's hätte sehen können”, erwiderte der andere. “Was meinst du, wie sie's gemacht hat?”
Der Bogenschütze zuckte mit den Schultern. “Irgendeine Hexerei. Ich möchte mit ihr nichts zu tun haben. Doch Vang will der Sache unbedingt auf den Grund gehen.”
“Ja, er ist ein ganz Gerissener.”
Verborgen im Dickicht starrte Rath auf die uralten Tannen des Aldwood-Waldes, während er überlegte, was die beiden wohl gemeint hatten. Anscheinend waren seine schlimmsten Befürchtungen wahr geworden. Maura war dem berüchtigten Anführer der Verfemten, Vang Himmelsspeer, in die Hände gefallen.
Jahrelang hatten Vang und seine Männer von den Hügeln am Fuße des Blutmond-Gebirges her ihre Überfälle gestartet, waren hinunter ins Lange Tal gezogen, um die
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