Die Prophezeiung von Umbria
ihnen aufzuhängen. Dann nahm er die Holzschale, schnupperte daran und verzog das Gesicht. Maura musste lachen.
“Es hat vielleicht keinen angenehmen Duft”, meinte sie, “aber der Geruch wird dich nicht mehr stören, wenn du spürst, wie gut es deinem Rücken tut.”
Misstrauisch betrachtete Rath die Salbe, während er mit dem Finger einen großen Klacks davon nahm. “Einen Vorteil hat das Zeug. Wölfe und Raubkatzen werden bestimmt niemanden auffressen, der damit eingeschmiert ist.”
Während Maura noch lachte, strich er ihr den Balsam auf den Rücken. Sie zuckte zusammen, als der kühle Brei ihre Haut berührte. Oder waren Raths Finger auf ihrem nackten Rücken daran schuld?
Sofort begann die Salbe zu wirken, und eine wunderbare, entspannende Wärme strahlte bis tief in ihre Muskeln.
“Noch ein bisschen tiefer”, bat sie Rath. “Und dann hinauf, zwischen die Schultern und im Nacken.”
Er folgte ihrem Wunsch und massierte die Salbe mit festen und geschickten und doch sanften Bewegungen in die Haut ein. Durch irgendeine Magie riefen diese Bewegungen köstliche Gefühle an Stellen ihres Körpers hervor, an die seine Hände gar nicht gelangten. Wie noch viel wunderbarer würden diese Gefühle wohl sein, wenn er sie wirklich dort streicheln würde?
“Wie ist es?”, fragte Rath.
Maura suchte nach Worten. “H…hervorragend.”
Um ein Haar hätte sie
himmlisch
gesagt.
“Jetzt bin ich dran.”
Sie blickte über die Schulter und sah, wie Rath seine Weste und das Hemd auszog. Sein schlanker, muskulöser Oberkörper raubte ihr fast den Atem.
“Warte”, keuchte sie und zerrte sich hastig die Tunika über.
Dann drehte sie sich zu ihm um und begann, einen Klecks Salbe auf seinem Rücken zu verreiben.
“Ah! Du hattest Recht. Das tut so gut! Meinetwegen kann es von hier bis zum Diesseitsland stinken”, lachte Rath.
Maura legte in die kreisenden Bewegungen ihrer Hände all die Zärtlichkeit, die sie ihm auf andere Art niemals würde zeigen dürfen.
“Woher hast du denn diese Narbe?” Vorsichtig strich sie mit dem Finger über den langen, schmalen Wulst unterhalb seiner Rippen.
“Ach die. Die Han trieben mal wieder Burschen für die Bergwerke zusammen. Sie hätten mich dabei fast umgebracht, aber ich wollte diesen Schlammspuckern den Triumph nicht gönnen.”
“Es tut mir leid”, flüsterte Maura.
“Leid? Warum denn? Das geschah vor langer Zeit und ist wohl kaum deine Schuld.”
“Es tut mir leid, dass ich dich daran erinnert habe. Es tut mir auch leid, dass ich schlecht über dich gedacht habe, weil du getan hast, was du tun musstest, um zu überleben.”
“Schon gut.” Abrupt stand Rath auf und stieß noch einen Ast ins Feuer, das eigentlich schon hell genug brannte.
Er bewegte die Schultern. “Das ist ein gutes Zeug. Ich fühle mich, als könnte ich noch einmal fünf Meilen gehen.” Grinsend betrachtete er Maura. “Na ja, vielleicht nicht fünf. Schau, das Wasser kocht. Du kannst dir deinen Tee aufbrühen.”
In der Nacht hielten sie abwechselnd Wache und achteten auf das Feuer. Für den Fall eines Angriffs gab Rath Maura seinen Dolch.
Irgendwann kurz vor der Dämmerung glaubte Maura zu hören, wie etwas auf vier Pfoten ums Lager schlich. Im Dunkeln sah sie wachsame, hungrige Augen aufglühen. Sie glaubte auch einen leisen, unverständlichen Singsang zu vernehmen. Dann verschwanden die Augen wieder, und alles war ruhig.
Sie saß da und betrachtete bewundernd Raths Gesicht im flackernden Licht des Feuers. Die starken, schroffen Züge besaßen die gleiche fremdartige Schönheit wie diese Landschaft um sie herum. Wie von selbst streckte sie die Hand aus, um verstohlen seine stoppeligen Wangen zu streicheln.
Da ertönte aus nächster Nahe ein tiefes, wildes Knurren. Das glänzende Fell einiger großer magerer Tiere schimmerte im Licht der Flammen.
“Rath!” Maura rüttelte ihn an der Schulter. “Wölfe! Sie sind an unserem Gepäck!”
“Verdammt!” Rath griff nach seinem Schwert und sprang auf. Flüche brüllend stürmte er auf die Tiere zu. Sie stoben auseinander, aber sie flohen nicht. Stattdessen zogen sie sich nur etwas zurück und begannen, Maura und Rath mit gefletschten Zähnen zu umkreisen.
Dann sprang ein besonders großer, wahrscheinlich der Anführer des Rudels, auf Rath zu. Er erwartete ihn mit gezücktem Schwert.
Jaulend vor Schmerz nahm das große Tier Reißaus. Doch zuvor hatte es Rath die Waffe aus der Hand geschlagen. Ein anderer Wolf stürzte sich
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