Die Prophezeiungen von Celestine
Kontinuum handelt wie die Schönheit.«
»Das klingt, als seien Sie in der Lage, sie zu sehen«, sagte ich.
Ohne auch nur den kleinsten Anflug von Unsicherheit sah sie mir in die Augen. »Ja, das tue ich. Doch zuerst entwickelte sich bei mir eine tiefere Empfindung für das Schöne.«
»Ist Schönheit nicht immer etwas Relatives?«
Sie schüttelte den Kopf. »Was wir für schön halten, mag unterschiedlich sein, aber das, was Schönheit auszeichnet, die Besonderheiten, die wir schönen Objekten zuordnen, sind identisch. Erscheint uns etwas als schön, so zeichnet es sich gewöhnlich durch verstärkte Präsenz, eine besondere Schärfe in der Form und sehr lebendige Farben aus, finden Sie nicht? Das Schöne hebt sich ab. Es strahlt. Im Vergleich zu weniger anziehenden Objekten erscheint es uns geradezu schillernd.«
Ich nickte.
»Schauen Sie sich den Ort hier an«, fuhr sie fort.
»Ich weiß, daß Sie förmlich hingerissen sind, weil es allen Menschen so geht, die hierherkommen. Dieser Ort hat eine eigenartige Ausstrahlung. Farben und Formen erscheinen uns intensiver. Die darauf folgende Wahrnehmungsstufe läßt Sie ein Energiefeld über jedem Gegenstand erkennen.«
Ich mußte ziemlich ratlos geschaut haben, denn sie lachte, bevor sie wieder ernst wurde. »Vielleicht sollten wir jetzt in die Gärten weitergehen. Sie liegen eine halbe Meile weiter südlich. Ich denke, Sie werden begeistert sein.« Ich dankte ihr für die Mühe, einem vollkommen Fremden das Manuskript zu erklären und mich durch Viciente zu führen. Sie zuckte bloß mit den Achseln.
»Sie scheinen aufgeschlossen gegenüber unseren Aktivitäten«, sagte sie. »Wir alle hier wissen, daß für uns sehr viel davon abhängt, in welchem Maß und wie wir uns an die Öffentlichkeit wenden. Um
weiterforschen zu können, muß unsere Botschaft in die Vereinigten Staaten und den Rest der Welt dringen. Von seiten der örtlichen Behörden sieht man uns offensichtlich nicht besonders gern.«
Hinter uns erklang plötzlich eine Stimme. »Entschuldigen Sie bitte!« Wir drehten uns um und sahen drei Männer, die sich eilig auf dem Pfad in unsere Richtung bewegten. Alle schienen weit über vierzig zu sein und trugen modische Kleidung.
»Kann uns einer von Ihnen sagen, wo sich hier die botanischen Anlagen befinden?« erkundigte sich der Größte des Trios.
»Könnten Sie mir sagen, warum Sie das wissen wollen?« gab Sarah die Frage zurück.
»Meine Kollegen und ich haben vom Besitzer die -
ses Anwesens die Erlaubnis erhalten, die Gärten zu inspizieren und mit jemandem über die sogenannten Forschungen zu sprechen. Wir sind von der Staat-lichen Universität von Peru.«
»Klingt, als wären Sie anderer Meinung, was unsere Ergebnisse angeht«, sagte Sarah mit einem Lächeln, offenbar bemüht, die Situation ein wenig aufzulockern.
»Davon können Sie getrost ausgehen«, erwiderte der Sprecher. »Wir halten es, gelinde gesagt, für gro-tesk zu behaupten, daß hier irgendeine mysteriöse Energie sichtbar geworden sei, die niemals zuvor zu sehen gewesen ist.«
»Haben Sie schon einmal versucht, sie zu sehen?«
fragte Sarah.
Der Mann beschloß, die Frage zu ignorieren, und wiederholte seine eigene. »Kann uns einer von Ihnen den Weg zu den Gärten erklären?«
»Selbstverständlich«, sagte Sarah. »Nach ungefähr hundert Metern macht dieser Pfad einen Bogen nach Westen. Folgen Sie ihm, und nach zirka einer Meile stehen Sie direkt vor dem Garten.«
»Ich danke Ihnen«, sagte der hochgewachsene
Mann, während das Trio davoneilte.
»Sie haben sie in die falsche Richtung geschickt.«
»Nicht wirklich«, gab sie zurück. »Dort in der Gegend gibt es noch andere Gärten. Und die Leute dort sind auf die Fragen solcher Skeptiker besser vorbereitet als ich. Manchmal tauchen seltsame Leute hier auf, aber nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Schaulustige, Leute, die nicht einmal eine dumpfe Ahnung davon haben, was hier vorgeht..., was wieder einmal das Hauptproblem des wissenschaftlichen Verständnisses erklärt.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wie ich schon gesagt habe, paßte der alte, skep-tische Blickwinkel hervorragend, solange es um die Erkundung der offensichtlicheren Phänomene des Universums ging, Bäume, Sonnenschein und Gewitter. Doch existiert ebenfalls eine Gruppe von weniger offensichtlichen Phänomenen, die nicht ohne weiteres erforschbar sind, ja nicht einmal vorhanden zu sein scheinen - es sei denn, der Betrachter wäre bereit, seine Vorbehalte
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