Die Prophezeiungen von Celestine
wenigstens für einen Augenblick zurückzustellen und zumindest zu versuchen, sich diesen Phänomenen hinzugeben, bevor er sich wieder seinen peinlich genauen Betrachtungen widmet.«
Wir traten aus dem Schatten der Bäume, und vor meinen Augen lagen Dutzende von kultivierten Anbauflächen, jede einzelne nur mit einer einzigen Pflanzenart bebaut. Es handelte sich vor allem um Nutzpflanzen, von der Bananenstaude bis hin zum Spinatpflänzchen. An der Ostseite der Anbauflächen befand sich ein breiter Kiesweg, der parallel zu einer nach Norden verlaufenden öffentlichen Straße verlief.
Drei Gewächshäuser aus Wellblech standen entlang des Pfades. Jeweils vier oder fünf Leute arbeiteten in der Nähe jedes der Gebäude.
»Da sind ein paar meiner Freunde«, sagte Sarah und zeigte auf das uns am nächsten stehende Treibhaus.
»Kommen Sie, ich möchte sie Ihnen vorstellen.«
Sarah stellte mich drei Männern und einer Frau vor, die alle an den Forschungsarbeiten beteiligt waren.
Die Männer unterhielten sich kurz mit mir und entschuldigten sich dann damit, daß sie zu ihrer Arbeit zurückkehren müßten. Die Frau, eine Biologin namens Marjorie, schien dagegen Zeit für uns zu haben.
Ich fing ihren Blick auf. »Über was genau forschen Sie hier?« fragte ich.
Sie schien überrascht, lächelte jedoch und antwortete mir schließlich. »Wo soll ich anfangen?«
sagte sie. »Sind Sie mit dem Inhalt des Manuskriptes vertraut?«
»Mit den beiden ersten Abschnitten«, sagte ich.
»Ich habe gerade mit der Dritten Erkenntnis angefangen.«
»Nun, all unsere Untersuchungen drehen sich um den Inhalt des Manuskriptes. Kommen Sie, ich werde es Ihnen zeigen.« Mit einer Handbewegung bedeutete sie mir, ihr zu folgen, und wir gingen um das Treibhaus herum, bis wir vor einem kleinen Feld mit Bohnen standen. Mir fiel auf, daß die Pflanzen von außergewöhnlicher Gesundheit waren und weder unter Insektenbefall noch toten Blättern zu leiden schienen. Die Stauden wuchsen in lockerer und hochwertiger Muttererde, und jede einzelne von ihnen verfügte über ein großzügig abgestecktes Revier, so daß die einzelnen Gewächse zwar nah beieinander standen, Stiele und Blätter der verschiedenen Pflanzen sich jedoch nicht berührten.
Sie deutete auf die uns am nächsten stehende Pflanze. »Wir haben versucht, diese Pflanzen als autonome Energiesysteme zu betrachten und jedes ihrer Bedürfnisse zu berücksichtigen - Erde, Dünge-stoffe, Feuchtigkeit, Licht. Dabei haben wir herausgefunden, daß das komplette Ökosystem, von dem jede Pflanze umgeben ist, in Wirklichkeit Teil eines lebenden Organismus darstellt. Der Gesundheits-zustand jedes einzelnen Faktors beeinflußt das gesamte System.«
Sie zögerte und fuhr dann fort: »Der wesentliche Punkt besteht darin, daß wir begannen, erstaunliche Resultate zu erzielen, sobald wir anfingen, die energetischen Vorgänge, die jede der Pflanzen umgibt, bei ihrer Pflege zu berücksichtigen. Unsere Studien-objekte wurden zwar nicht größer, doch nach ernäh-rungswissenschaftlichen Kriterien weitaus potenter.«
»Wie haben Sie das gemessen?«
»Die Pflanzen enthielten mehr Eiweiß sowie höhere Anteile an Kohlenhydraten, Vitaminen und Minera-lien.«
Sie sah mich erwartungsvoll an. »Aber wissen Sie, was das Erstaunlichste ist? Wir haben herausgefunden, daß jene Pflanzen, denen die meiste Beachtung geschenkt wurde, auch zu den leistungsfähigsten zählten.«
»Was verstehen Sie unter Beachtung?«
»Den Boden jeden Tag ein bißchen aufzulockern, sich jeden Tag ein wenig um die Pflanzen zu kümmern, Sie wissen schon. Schließlich haben wir anhand einer Kontrollgruppe folgendes Experiment
vorgenommen: Einige der Pflanzen erhielten besondere Aufmerksamkeit, andere wiederum nicht -unsere Annahme bestätigte sich. Daraufhin erweiterten wir unser Konzept und stellten jemanden dafür ab, den Pflanzen nicht nur Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, sondern sie auch auf mentalem Wege damit zu beauftragen, stärker zu werden. Der Mitarbeiter verbrachte Zeit bei den Pflanzen und wid mete seine gesamte Aufmerksamkeit und Sorgfalt ausschließlich ihrem Wohlergehen.«
»Wurden die Pflanzen dadurch stärker?«
»In ganz signifikantem Maße. Außerdem wuchsen sie schneller.«
»Das ist ja unglaublich!«
»Ja, ist es...« Ihre Stimme verlor sich, während sie zu einem etwa sechzigjährigen Mann sah, der auf uns zukam.
»Der Herr ist ein Mikro-Ernährungsforscher«, sagte sie so, daß er es nicht hören konnte.
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