Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
Spalt offen, und Schönlieb konnte erkennen, dass in der Innenseite ein paar Fotos hingen. Er ging zum Kleiderschrank und öffnete die Tür. Er sah Marie, die Freundin von Huynh. Fünf Fotos von ihr hingen dort im Schrank. Zwei von ihnen waren offensichtlich aus einiger Entfernung mit einem Teleobjektiv aufgenommen worden. Sie erinnerten an die Fotos, die man in den Klatschzeitungen von Prominenten fand. Bei einem Foto hatte Schönlieb die Vermutung, dass es heimlich mit dem Handy aufgenommen wurde. Man sah Marie von schräg unten, wie sie auf einem der Klapptische im Hörsaal lehnte. Die letzten beiden Fotos sahen aus wie normale Pärchenfotos, mit dem Unterschied, dass das Foto in der Mitte durchgeschnitten war und die Hälfte mit dem Mann fehlte. Schönlieb war sich sicher, dass es Huynh war, der dort abgeschnitten worden war. Musste Huynh sterben, weil er der Freund von Marie war? Schönlieb nahm die Fotos ab und verließ das Zimmer.
Unten im Erdgeschoss saß Coskun zusammen mit Benjamins Mutter im Wohnzimmer. Schönlieb ging zu ihnen und nickte Coskun zu. Frau Meier saß auf einem pastellfarbenen Sofa und schüttelte ununterbrochen den Kopf.
»Das kann doch alles nicht wahr sein«, mehr sagte sie nicht. Nur immer wieder, dass das alles nicht wahr sein konnte.
In einer Glasvitrine, die rechts in einer Ecke neben dem Fernseher stand, lagen ein paar Muscheln, vermutlich aus dem letzten Urlaub. Zwischen den Muscheln standen zwei kleine Porzellankätzchen und lachten Schönlieb fröhlich an.
»Wenn Sie wollen, können Sie mitfahren. Wir fahren jetzt ins LKA«, bot Coskun der Mutter von Benjamin an.
Schönlieb hielt das für keine gute Idee. Er war erleichtert, als Frau Meiner ablehnte.
»Ich warte hier einfach auf ihn.«
Na, da kann sie lange warten , dachte Schönlieb und verabschiedete sich.
Als er die Haustür hinter sich und Coskun schloss, kribbelte es in seinem Bauch. Er war aufgeregt. Der Fall war kurz davor, abgeschlossen zu werden.
Kapitel 45
Bevor er die Tür zum Vernehmungszimmer öffnete, dachte Schönlieb kurz an Wallner. Wo verdammt war der? Er hatte ihn seit ihrer Rückkehr ins LKA nicht gesehen. Schönlieb beschloss, später Holding direkt auf das ständige Verschwinden von Wallner anzusprechen. Der sollte ja wohl wissen, wo sich seine Mitarbeiter herumtrieben. Vorher aber würde er Benjamin befragen, dann konnte er Holding gleich einen Erfolg vermelden.
Schönliebs Aufregung war noch größer geworden. Er hatte die Hand schon an der Türklinke, da hielt er ein letztes Mal inne und mahnte sich, sich nicht zu früh über seinen bevorstehenden Triumph zu freuen. Jetzt kam es darauf an, diesen Fall professionell abzuschließen. Er durfte sich keinen Fehler erlauben. Er hatte Benjamin schon im Käfig sitzen, jetzt musste er nur noch die Tür hinter ihm schließen.
Schönlieb öffnete die Tür. Birte Coskun lehnte an der Wand. Sie hatte bisher kein Wort mit Benjamin gewechselt. Sie war einfach da und schaute ihn an. Das machte Benjamin nervös genug.
»Hast du Wallner nicht mitgebracht?«, fragte sie.
»Keine Ahnung, wo der steckt.« Schönlieb zuckte mit den Schultern, dann wandte er sich an Benjamin. »Woher hast du diesen Laptop? Der stand auf deinem Schreibtisch.«
Schönlieb legte den Laptop auf den kleinen weißen Tisch. Benjamin stierte auf den Computer. Er sah aus, als ob er überlegte, alles zu leugnen, aber wie lange würde er es schon durchhalten? Dafür schien er nicht gemacht.
Benjamin hob seinen Kopf und schaute Schönlieb in die Augen. Mit dem Zeigefinger schob er seine Brille hoch.
»Ja, den kenne ich. Das ist der Laptop von Huynh. Ich habe ihn an mich genommen, nachdem ich Huynh vor dem Audimax bewusstlos geschlagen habe, also …« Er stockte kurz. »… totgeschlagen habe.« Wieder machte er eine Pause und sagte dann mit mehr Sicherheit in der Stimme. »Acht Tage später habe ich Professor Meininger getötet.« Dann fing er an zu weinen.
Schönlieb und Coskun schauten sich überrascht an. Schönlieb war fast ein wenig enttäuscht, so einfach hatte Benjamin es ihm gemacht. Wo war das knallharte Verhör, in dem man den Verdächtigen schweißgebadet stundenlang weichkochte und dann endlich, endlich ein Geständnis bekam, als Belohnung für diese harten Stunden, für die harte Arbeit?
Schnell wischte Schönlieb die Enttäuschung weg. Es ging darum, den Fall zu lösen, nicht um Eitelkeiten. Bloß nicht so unprofessionell wie Wallner werden.
»Dann erzähl mir mal, wie das
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