Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
nicht geglaubt, dass Wallner weinen konnte. Mittlerweile dachte Schönlieb schon, dass er sich nur getäuscht hatte, so surreal kam ihm die Szene vor. Jedenfalls schied Wallner jetzt aus. Die anderen saßen ihn den verschiedenen Räumen und passten auf Max, Anna, Marie und Alex auf. Die konnten alle erst mal nach Hause. Benjamin war jetzt wichtig. Schönlieb stürmte in den Verhörraum, zu Coskun und Marie.
»Marie, du kannst gehen, Coskun, du kommst mit. Schnell!« Während er das sagte, war er schon wieder aus dem Raum.
Er platzte bei Samson und Alex rein.
»Alex, ab nach Hause, Samson du kommst mit mir mit!«
Seine nächste Station waren Holding und Max.
»Sorry, Max, dass ich dich jetzt gar nicht befragt habe, Holding, ich bin mit Coskun und Samson unseren Hauptverdächtigen einsammeln. Mehr nachher!«
»Ich dachte, der ist einer von denen hier. Wozu der ganze Aufwand, wenn meiner nicht mal befragt wird?«, hörte Schönlieb Holding rufen.
Coskun und Samson standen schon auf dem Flur und schauten sich fragend an.
»Ich erzähle euch alles unterwegs! Samson, du fährst!«
Während Samson auf das Gaspedal drückte, ließ sich Schönlieb von der Zentrale die Adresse von Benjamin geben.
»Wir kommen, Zitronenkopf!«, brüllte er angriffslustig, als er wieder aufgelegt hatte.
Kapitel 43
Schönlieb und Coskun nahmen die drei kleinen Treppenstufen, die zum Eingang des durch und durch unauffälligen Einfamilienhauses führten. Samson wartete im Auto auf sie. Er sollte den Ausgang des kleinen Grundstückes im Blick behalten.
Die unteren Fenster des Hauses zierten weiße, halbhohe Spitzengardinen, vor denen eine von diesen hässlichen Kerzenpyramiden im Fenster stand. Neben der Tür informierte ein Schild aus bemaltem Salzteig, dass hier Familie Meier wohnte. Coskun drückte auf die Klingel.
»Dann werden wir mal sehen, ob du recht hast«, sagte sie.
Schönlieb wusste, das er recht hatte, die Indizien sprachen dafür und sein Gefühl.
Die Tür öffnete sich. Die Frau, die zum Vorschein kam, sah ebenso langweilig aus wie das Haus, in dem sie wohnte.
»Kripo Hamburg, wir würden gerne zu Benjamin«, sagte Coskun kühl.
Der Blick der Frau weitete sich etwas, und ihre Pupillen zuckten nervös hin und her. Wahrscheinlich versuchte sie einzuordnen, was die Kripo von ihrem Benjamin wollte. Was ihr jedoch augenscheinlich nicht gelang.
»Außerdem würden wir uns hier gerne ein bisschen umschauen«, sagte Schönlieb zu Frau Meier, die ihn noch immer verwirrt ansah.
»Also, ja, mein Gott, hat Benjamin denn etwas angestellt?« Langsam fand sie ihre Sprache wieder.
Schönlieb und Coskun sahen sich kurz an.
»Nein, wahrscheinlich nicht. Nur Routine.«
»Benjamin ist oben in seinem Zimmer.« Frau Meier trat zur Seite, ließ die beiden Polizisten hinein und zeigte auf eine Treppe, die in das obere Geschoss des Hauses führte.
Schönlieb und Coskun gingen die helle Holztreppe hinauf. Frau Meier blieb unten am Treppenende stehen und blickte ihnen sorgenvoll hinterher. Oben stand die Tür zu einem kleinen Badezimmer auf. Zwei weitere Türen waren geschlossen. Auf einer der Türen klebte ein gelbes Warnhinweisschild. Betreten auf eigene Gefahr . Ja, so ein Schild hatte Schönlieb auch mal an seiner Tür gehabt, mit zwölf. Er war froh, dass er seines rechtzeitig abgenommen hatte, beziehungsweise rechtzeitig ausgezogen war.
Schönlieb klopfte an die Tür und öffnete sie dann sofort, ohne abzuwarten.
Benjamin saß an einem hellen Holzschreibtisch. Mit einem schnellen Blick verschaffte Schönlieb sich einen Überblick über das Zimmer. Helle Kiefernholzmöbel, Dartscheibe an der Wand, daneben ein Schwarz-Weiß-Poster, das die Skyline von New York zeigte. Es hätte das Zimmer eines vierzehnjährigen Schülers sein können. Nur um den Schreibtisch herum schien der Student, der in diesem Zimmer wohnte, sich nach und nach durchzusetzen. Mehrere dicke Fachbücher, ein paar Ordner, zwei moderne Notebooks. Der Schreibtisch schien von allem kindlichen Kitsch befreit.
Erschrocken blickte Benjamin hoch und rückte seine Brille zurecht.
»Hallo, Benjamin«, sagte Schönlieb, und er versuchte es so klingen zu lassen, als müsse Benjamin wissen, warum er und Coskun, die Kripo, jetzt hier in seinem Zimmer standen.
Benjamin schien es zu wissen. Nachdem er ein paar Sekunden wie schockgefroren gewirkt hatte, wirbelte er plötzlich hoch, stürmte auf Schönlieb zu und drückte ihn beiseite. Schönlieb, völlig überrascht von dieser
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