Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
genau mit Huynh passiert ist«, sagte Schönlieb und setzte sich zu Benjamin an den Tisch.
Benjamin wischte sich mit dem Handrücken etwas Rotz weg, dann fing er an, er sprach sehr flüssig und deutlich.
»Jeder denkt, ich bin ein Streber, nur weil ich versuche, mich in den Vorlesungen zu beteiligen. Ich kann mich nun mal vorne, nahe am Professor, besser konzentrieren. Da wird man nicht so abgelenkt. Aber was soll ich sagen, auch ich hatte Probleme, mir den ganzen Stoff zu merken und für die Klausuren zu lernen. Dazu kam noch die Arbeit für Professor Meininger, das war nicht wenig, da war die Zeit knapp. Lernen, arbeiten, lernen.«
»Und was hat Huynh damit zu tun?«
»Huynh habe ich das erste Mal beim VHJS getroffen. Ich wollte andere Studenten kennenlernen, ein bisschen Anschluss finden. In der Schule war ich schon immer der Außenseiter gewesen. Keine Ahnung, warum. Sehen Sie mich an. Habe ich irgendwie »Außenseiter« auf der Stirn geschrieben, oder was?«
Schönlieb schaute Benjamin an. Er konnte nicht genau sagen, was es war, aber Benjamin sah für ihn aus wie einer, mit dem schon in der Grundschule keiner spielen wollte. Es gab immer einen, der geärgert wurde, der nicht eingeladen wurde, der beim Sport als Letzter in die Mannschaften gewählt wurde, und, so leid es ihm tat, Benjamin war so einer. Genau, wie Schönlieb selbst einer gewesen war.
»Nein«, sagte Schönlieb und schüttelte den Kopf.
»Jedenfalls war ich beim VHJS auch wieder schnell außen vor. Ich hasse es!« Benjamin liefen wieder ein paar Tränen über die Wange. »Aber Huynh war nett zu mir. Er war nicht so voreingenommen wie die anderen. Er legte Wert auf meine Meinung und motivierte mich, weiter zu den Treffen zu gehen, was ich aber nicht tat. Eine ganze Zeit lang hatten wir dann keinen richtigen Kontakt, waren wieder zwei Studenten, die zwar zusammen studierten, aber mehr auch nicht. Dann aber bekam ich immer größere Probleme mit dem Lernen. Klar, es geht langsam dem Ende zu. Es wird schwieriger, und man wird auch nervöser. Schließlich weiß man, bald kommt’s drauf an. Irgendwie hatte ich gehört, dass Huynh einem helfen konnte, wenn man Probleme hatte zu lernen, sich zu konzentrieren, wach zu bleiben und so. Deswegen habe ich mich an ihn gewandt. Mittlerweile war ich als totaler Streber verschrien. Klar, wer auch noch für den Meininger arbeitet …
Huynh war dennoch wieder sehr nett zu mir, auch wenn ich merkte, dass er darauf achtete, nicht ganz so oft mit mir zusammen in der Mensa oder so gesehen zu werden. Der Ruf ist alles.« Benjamin lachte merkwürdig auf. Sehr verkrampft. »Er hat mir dann diese Pillen gegeben. Ehrlich gesagt, keine Ahnung, was das war. Er hatte sie in so blaue Tütchen gepackt, auf die ein kleines Gehirn gedruckt war, und nannte sie selbst Brainbooster . Die waren ziemlich gut.
Er gab mir am Anfang ziemlich viele. Einfach so. Mein Vorrat war allerdings irgendwann alle. Er bot mir an, mir mehr zu besorgen, gegen Geld. Das war auch kein Problem. Also erst einmal. Ich war nicht süchtig nach den Dingern, aber zum Lernen waren die wirklich spitze. Ich konnte viel länger und konzentrierter lernen, auch noch nach der Arbeit.«
Schönlieb fing an, mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln. Hörte jedoch sofort, dass Coskun sich hinter ihm leicht räusperte, und wusste sofort, was sie meinte. Schnell verschränkte er die Finger ineinander und legte die Hände auf den Tisch. Lass ihn in Ruhe weiterreden, gleich ist es so weit.
»Ich hatte einen ganz guten Verbrauch von diesen Brainboostern . Das war ziemlich teuer. Recht viel von meinem Geld, das ich von meiner Mutter bekomme, ging dafür drauf. Irgendwann fragte mich Huynh mal, es wirkte ganz beiläufig, ob ich schon etwas von den Gerüchten über Professor Meininger gehört hätte.« Er sah kurz zu Schönlieb. »Also wegen der Studentinnen. Und so. Ich wusste nicht wirklich etwas darüber, aber zu Ohren war mir das natürlich schon mal gekommen. Aber irgendwie glaubte ich da nicht dran, obwohl mir dann eine komische Situation einfiel. Das erzählte ich auch Huynh.«
»Was war an der Situation denn so komisch?«, fragte Schönlieb und versuchte, nicht allzu ungeduldig zu klingen.
»Ja, also, einmal, als ich zu Professor Meininger ins Büro wollte, um zu arbeiten, war es abgeschlossen. Ich ruckelte an der Tür, weil ich dachte, dass das nicht sein kann, schließlich musste ich immer um diese Zeit arbeiten, und die Tür war immer offen gewesen.
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