Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
nächsten Zeit würde er öfter Gründe finden, um die Rechtsmedizin aufzusuchen.
Kapitel 5
Im Büro erwartete Wallner ihn schon. Zigarette rauchend saß er auf seinem Schreibtischstuhl und blickte auf, als Schönlieb durch die Tür trat und gegen eine Wand aus Rauch rannte. Es stank fürchterlich, und Schönlieb musste sofort anfangen zu husten. Er war sich nicht ganz sicher, ob der Grund dafür seine Erkältung oder der Zigarettenrauch war. Auf jeden Fall ärgerte er sich. Er hatte Wallner in der letzten Zeit schon öfter gesagt, dass er bitte im Büro nicht rauchen möge, verboten war es obendrein.
»Rauchen ist hier verboten«, sagte Schönlieb wütend. Und außerdem habe ich erst vor ein paar Wochen aufgehört zu rauchen und hasse alle Leute, die in meiner Gegenwart rauchen und mir so das Leben und das Aufhören schwer machen , dachte er.
Wallner schaute ihn kurz überrascht an, hatte sich dann aber blitzschnell wieder gefangen und seinen Alles-Scheiße - Blick aufgesetzt. So schnell brachte man ihn nicht aus der Ruhe.
»Was regst du dich so auf? Ist nur ein bisschen Rauch.«
Schönlieb wollte etwas erwidern, ließ es dann aber doch bleiben.
»Und wie ist der Stand?«, sagte er stattdessen.
»Wir treffen uns in einer Viertelstunde mit den anderen bei Holding im Büro«, antwortete Wallner. »So viel sei verraten: Wir haben die Identität des Toten.«
Schönlieb schaute ihn auffordernd an, doch Wallner stand auf und ging an ihm vorbei aus dem kleinen Büro. Schönlieb blickte Wallner noch eine Weile nach, setzte sich dann an seinen Schreibtisch und holte den Artikel, den er von Kalle bekommen hatte, aus seiner Jackentasche.
Der Artikel war von einem jungen Arzt verfasst worden, der zusammen mit seinen Kollegen eine Studie zum Thema »Doping unter Studenten« angefertigt hatte. Legale Muntermacher wie Koffeintabletten und koffeinhaltige Energydrinks würden bereits von über fünfzig Prozent der Studenten regelmäßig als vermeintliche Hilfe beim Lernen eingenommen. Erschreckend sei aber, so der Arzt, dass sowohl die Anzahl derjenigen, die illegale Drogen als Lernhilfen einsetzten, drastisch steigen würden, als auch – und dies kommentierte der Arzt noch viel kritischer – achtzig Prozent der befragten Studenten bereit wären, Medikamente zur Leistungssteigerung ohne Weiteres zu konsumieren, wären sie legal und ohne Nebenwirkungen. Es folgte ein Erklärungsversuch, in dem die steigende Bereitschaft zur Medikamenteneinnahme vor allem mit dem immer größeren Leistungsdruck in der Gesellschaft erklärt wurde. Am Ende des Artikels gab es in einem kleinen hellblauen Kasten einen kurzen Kommentar von einem weiteren Mediziner, der den Standpunkt vertrat, dass man sich der leistungssteigernden Medikamenteneinnahme nicht verschließen sollte. Der Mensch strebe immer nach mehr und höherem Wissen, und wenn durch Medikamente Leistungen erbracht werden könnten, die ohne Hilfe nicht möglich wären, dann sei dies zu begrüßen und eine Weiterentwicklung im Sinne der Evolution.
Schönlieb legte den Artikel wieder auf seinen Schreibtisch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Während seines Studiums an der Hochschule der Polizei hatte er während der Lernphasen und vor Klausuren oft auf Energydrinks zurückgegriffen, um länger wach und konzentriert zu bleiben. Er hatte immer sehr gut abgeschnitten und das Studium als Jahrgangsbester abgeschlossen.
Hätte er bei schlechteren Ergebnissen versucht, noch weiter nachzuhelfen?
Im ersten Moment war er sich nicht sicher. Das erschreckte ihn. Er beschloss schließlich, dass er sicherlich nie auf Medikamente zurückgegriffen hätte.
Da klopfte es. Schönlieb drehte sich um und sah seinen Kollegen Erik Samson im Türrahmen stehen. Samson war so breit und kräftig gebaut, dass er fast den ganzen Türrahmen einnahm. Er hatte einen dicken Stiernacken und eine Glatze, die immer – leicht mit einem Schweißfilm bedeckt – glänzte. Man würde Erik Samson eher vor einem Nachtklub erwarten als hier im LKA.
»Kommst du?«, fragte Samson. »Kurzes Treffen bei Holding.«
Schönlieb nickte, stand auf und ging mit Samson den kahlen Flur entlang zu Holdings Büro. Neben dem Riesen Samson fühlte man sich zwangsläufig immer klein und schwach. Als sie in das Büro am Ende des Ganges eintraten, saß Wallner schon auf einem Stuhl am Rande des Zimmers und begrüßte sie mit einem kurzen Kopfnicken. Kriminalhauptkommissar Walter Holding saß auf seinem Schreibtisch. An der Wand
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