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Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Schlüter
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vergessen. Mehrere der Personen hatten ebenfalls »Nguyen« geheißen, vielleicht war der Name das vietnamesische Pendant zu »Müller« oder so.
    »Die Adresse habe ich bereits herausgesucht«, sagte Wallner. »Sie steht auf dem zweiten Zettel.«
    Holding blickte auf den Zettel in seinen Händen und nickte. Dann gab er ein paar letzte Anweisungen und mahnte alle, ihre Berichte immer rechtzeitig und vollständig abzugeben, weil er sonst nur wieder Ärger vom Sektionsleiter bekommen würde. Dann entließ er sie alle.
    »Wollen wir gleich hin?«, fragte Wallner. Auf eine Antwort wartete er mal wieder nicht, holte seine Jacke und machte sich schon auf den Weg. Schönlieb nickte nur und folgte ihm. Warum fragte er dann überhaupt? Wie er diese Art von Wallner hasste.
    »Nicht die schönste Gegend«, sagte Schönlieb, während er sich leicht nach vorne beugte, um durch die Windschutzscheibe hindurch auch die Spitzen der Hochhäuser sehen zu können, die gerade an ihnen vorbeirauschten. Mehrere dieser hohen grauen Kästen reihten sich hier hintereinander auf. Verblichene gelbe Balkone versuchten sich vergeblich als Farbtupfer. An nahezu jedem Balkon war eine große Satellitenschüssel montiert.
    »Hier müsste es sein.« Wallner parkte den Wagen.
    »Welche Nummer, sagtest du?«
    »198 g.« Wallner zeigte auf eines der Häuser. »Müsste dort sein.«
    Die beiden gingen auf grauen unebenen Gehwegplatten zu dem Hochhaus. Das Haus hatte zehn Eingänge. Die Nummer 198 g lag weiter hinten. Es war wie in einer Schlucht. Man ging zwischen zwei riesigen Bergen, die dunkle Schatten warfen. In der Schlucht war eine kleine Wiese angelegt, von der nur wenige Büschel durch die Schneedecke ragten. Schönlieb entdeckte ein Schild. Es war mit Schnee bedeckt. Er konnte dennoch die Wörter »spielen« und »verboten« lesen. Man hörte Stimmen aus den verschiedensten Wohnungen, und irgendwo stritt sich ein Paar lautstark.
    Schließlich kamen sie zu dem Eingang mit der Nummer 198 g und suchten die vielen Klingeln ab.
    »Hier: Nguyen!« Wallner drückte den Knopf.
    »Hallo?«, meldete sich nach ein paar Sekunden eine Mädchenstimme durch die Gegensprechanlage.
    »Hallo. Wir sind von der Kripo Hamburg. Wir würden gerne  mit Familie Nguyen sprechen. Würden Sie uns reinlassen?«
    Es kam keine Antwort. Schönlieb und Wallner schauten sich fragend an. Nach einer halben Minute ertönte jedoch der Summer. Die beiden traten in ein schmuckloses, kaltes Treppenhaus. Vor der Klingel hatte »8.OG« gestanden. Sie nahmen den Fahrstuhl.
    Der Aufzug war von innen fast vollständig mit Schriftzügen und Zeichnungen vollgeschmiert. Schönlieb und Wallner standen still nebeneinander und starrten ins Nichts, bis Schönlieb einen kleinen Hustenanfall bekam. Wallner drückte sich noch etwas weiter an die Fahrstuhlwand. Als Schönlieb sich beruhigt hatte, blickte er mit noch leicht gerötetem Kopf zu Wallner.
    »Machst du es?«
    Wallner nickte.

Kapitel 6
    Wallner war ein Arschloch. Die beiden kamen nicht gut miteinander aus. Das war kein Geheimnis. Dennoch gab es Momente, in denen Schönlieb froh war, dass er Wallner an seiner Seite hatte.
    Jetzt war einer dieser Momente.
    Die beiden standen in dem kleinen Wohnzimmer. Auf der einen Seite hing ein großer Flachbildfernseher, der das Zentrum des Zimmers bildete. Den Rest des Zimmers nahm ein Ecksofa ein, dessen Muster und Form schon vor zehn Jahren aus der Mode gekommen waren, sowie ein kleiner Sofatisch, auf dem mehrere Fernsehzeitungen und ein paar Kinderfilme lagen. Auf dem Sofa krümmte sich die Mutter von Huynh Nguyen. Sie vergrub den Kopf unter die Schulter ihres Mannes und weinte. Der Mann saß wie erstarrt auf dem hässlichen Sofa und bewegte sich nicht. Schönlieb stand ungefähr einen Meter hinter Wallner und war froh, dass er es nicht hatte sagen müssen. Aus einem anderen Zimmer hörte man das Geschrei zweier kleiner Mädchen. Es hörte sich nach Lachen an. Sie wussten es noch nicht.
    Eine Weile standen sie einfach so da.
    Schönlieb hielt es irgendwann nicht mehr aus.
    »Darf ich mich in Huynhs Zimmer umsehen?«, fragte er, um die Stille zu durchbrechen. Der Vater nickte nur. Ganz leicht. Kaum wahrnehmbar. »Mein Kollege bleibt noch bei Ihnen.«
    Schönlieb warf Wallner einen schnellen Blick zu, dann ging er in die Richtung der Kinderstimmen. Sie kamen aus einem Zimmer, das links vom Wohnzimmer abging, die Tür war nur angelehnt, und durch den Spalt konnte Schönlieb die beiden Mädchen sehen,

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