Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
hielt inne. Wäre es taktlos? Ach was, sie hatten einen Mord aufzuklären. Er beschloss, zurück ins Wohnzimmer zu gehen.
Kurz bevor er das Zimmer verließ, stoppte er kurz. Er ging zurück zu Huynhs Bett und schaute unter die Matratze. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass dies ein sehr beliebtes Versteck für allerhand Dinge war. Von Drogen, Waffen bis zu Pornoheften. Er wunderte sich jedes Mal aufs Neue, dass es immer noch Menschen gab, die ihre geheimen Dinge dort versteckten. Diesmal fand er nichts. Als er jedoch die Matratze hochriss und das Kopfkissen herunterrollte, kam unter dem Kissen ein Foto zum Vorschein. Es zeigte das Gesicht von Huynh, dicht gepresst an die Wange eines hübschen Mädchens. Beide lachten in die Kamera. Schönlieb nahm das Foto an sich und ging ins Wohnzimmer.
Wallner saß inzwischen neben den beiden Eltern. Die Mutter hatte sich aufgerichtet und hielt ihre beiden Töchter fest im Arm, die noch immer nicht so genau zu wissen schienen, was passiert war, sich jedoch auch nicht aus dem verzweifelten Griff der Mutter befreien konnten. Huynhs Vater saß noch genauso da, wie Schönlieb ihn zuletzt gesehen hatte. Schönlieb zögerte kurz, beschloss dann aber, Klartext zu reden. Er hielt die Schachtel Ritalin in die Höhe.
»Haben Sie das schon einmal gesehen?«
Wallner, Mutter und Vater schauten zu Schönlieb. Mutter und Vater schüttelten den Kopf, Wallner zeigte keine Reaktion. Schönlieb ging etwas näher zu dem Vater und hielt ihm die Medikamentenverpackung unter die Augen.
»Haben Sie schon einmal etwas von ADHS gehört? Hat Ihr Sohn so eine Diagnose gehabt? Hat er dieses Medikament vom Arzt verschrieben bekommen?« Der Vater schüttelte immer wieder den Kopf und sah dabei, nach Schönliebs Meinung, auch glaubhaft unwissend aus.
»Nie gesehen«, beteuerte der Vater. »Huynh war gesund.«
Schönlieb steckte die Packung zurück in die Tasche.
»Okay, er hatte also keine Krankheiten. Hatte Huynh jemals etwas mit Drogen zu tun?«, fragte Schönlieb weiter. Wallner zog eine Augenbraue nach oben und seufzte.
»Nein.« Der Vater schaute noch erstaunter als zuvor und schüttelte heftig den Kopf. »Huynh war ein guter Junge!«
»ði ãn cứt, lỗ ðít!«, schrie Huynhs Mutter auf einmal auf, und es folgte eine ganze Salve vietnamesischer Wörter, die Schönlieb nicht verstand, was er nicht bedauerte. Die Frau schaute ihn böse an, immer noch die beiden Töchter fest im Arm. Er war wohl einen Schritt zu weit gegangen.
»Sie beschmutzen meinen Jungen!«, rief sie auf Deutsch und zeigte zur Haustür. »Gehen Sie, gehen Sie!«
»Es tut mir leid, Frau Nguyen«, sagte Schönlieb mit ruhiger Stimme und hob beschwichtigend die Arme. »Aber solche Fragen müssen wir stellen. Schließlich wollen wir den Mörder Ihres Sohnes finden.«
Er versuchte eine Miene aufzusetzen, von der er selbst glaubte, dass sie zur Beruhigung beitragen könnte, sah allerdings ziemlich albern aus. In dem Moment bekam Wallner einen Hustenanfall. Vielleicht gewollt , dachte Schönlieb.
»Ich gehe schon mal raus«, hustete Wallner und verließ schnell das Wohnzimmer Richtung Haustür. Schönlieb machte sich ebenfalls bereit zum Gehen.
»Eine Frage habe ich noch«, sagte er und drehte sich noch einmal um. »Wissen Sie, wer das Mädchen ist?« Er zeigte Herrn und Frau Nguyen das Bild, das er unter dem Kopfkissen gefunden hatte.
Die beiden beugten sich interessiert nach vorne. Zum ersten Mal ließ die Mutter auch ihre Töchter los. Die beiden nutzten die Freiheit, schmissen sich auf das Sofa und fingen laut an zu heulen. Das war alles ein bisschen viel.
»Nein, kenne nicht!«, antwortete Frau Nguyen nur kurz und wandte sich dann wieder ihren Töchtern zu. Die beiden Kinder, die ihr geblieben waren. Auch der Vater von Huynh kannte das Mädchen auf dem Foto nicht.
Schönlieb verabschiedete sich und hinterließ eine gebrochene Familie.
»Gib ein paar Leuten Bescheid«, sagte Schönlieb zu Wallner, als sie wieder im Auto saßen. »Die sollen den Computer und die Medikamente aus dem Zimmer abholen.«
»Warum hast du das nicht gleich gemacht?«, fragte Wallner im genervten Tonfall.
»Ich hatte nicht damit gerechnet, gleich wieder rausgeschmissen zu werden«, sagte Schönlieb und starrte auf den Hochhausblock.
»Du kannst ja gerne noch mal rein und die Sachen holen.« Auffordernd sah er Wallner an. Der antwortete nicht und startete das Auto.
Kapitel 7
Holding hatte sie nach Hause geschickt. Ein paar Stunden Schlaf
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