Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
nicht angebracht und nicht ganz zutreffend war. Er wartete ein bisschen, bis er die nächste Frage stellte, denn er wusste, dass es jetzt ein bisschen unschöner werden würde.
»Ich muss Sie noch etwas fragen …«, begann er.
Marie blickte ihn mit ihren feuchten Augen an.
»Wussten Sie davon, dass Huynh Ritalin und andere Mittel genommen hat, die angeblich die Lernfähigkeit steigern?«
Marie blickte ins Leere.
»Ein bisschen so wie bei Romeo und Julia …«, sagte sie dann, ohne dass sich ihr Blick veränderte, nur ihr Gesicht bekam auf einmal eine gewisse Härte.
Schönlieb wiederholte seine Frage.
Marie zuckte kurz zusammen, wie aus einem Traum erwachend.
»Ritalin?«, fragte sie empört. »Wieso sollte er, er hatte gute Noten!«
»Die Untersuchungsergebnisse sind eindeutig. Ich entnehme Ihrer Antwort jedoch, dass Sie nichts gewusst haben.«
Marie sagte nichts, schaute jedoch verunsichert.
»Ich muss weiterhin fragen, ob Sie wissen, dass Huynh in irgendeiner Weise mit solchen Medikamenten zur vermeintlichen Steigerung der Lernfähigkeit gehandelt hat. Wir haben in seinem Zimmer solche Mengen gefunden, dass dieser Schluss naheliegt.«
Marie schaute Schönlieb entgeistert an.
»Nein, um Gottes willen, nein!«, rief sie. »Huynh hätte so etwas nie gemacht!«
Sie war wirklich entgeistert, und Schönlieb glaubte ihr, dass sie es nicht für möglich hielt, dass Huynh sein Geld mit Medikamentenhandel verdient hatte.
»Haben Sie sich nicht gefragt, woher Huynh das Geld hatte, sich die teuren Klamotten, die teure Uhr oder vielleicht das Taxi, von dem Sie erzählten, einfach so zu bezahlen?«, fragte Schönlieb. Konnte Marie von Hohenzollern wirklich so naiv gewesen sein?
»Er … Er …«, stotterte sie. »Er hat doch gearbeitet … Er hat gesagt …« Sie setzte sich wieder auf das Bett. »Ich hab ihn nie danach gefragt.« Ihren Kopf hatte sie tief gesenkt. Sie schaute auf den Boden.
Es tat Schönlieb ein bisschen leid, dass er ein wenig von dem schönen Bild, das sie von ihrem ermordeten Freund hatte, zerstören musste.
»Ich glaube Ihnen, aber denken Sie noch mal nach: Gibt es etwas, was Sie mir sagen wollen, oder fällt Ihnen irgendetwas ein, was auch nur im Entferntesten mit Huynhs Tod zusammenhängen könnte?«, fragte Schönlieb.
Marie sah ihm einen Augenblick in die Augen. Ihre großen, vor Tränen glänzenden Augen hatten etwas Lebloses, geradezu Beängstigendes. Sie öffnete den Mund, kaum erkennbar, als wollte sie noch etwas sagen, doch dann schien sie sich innerlich zu schütteln und sagte nichts mehr. Sie saß einfach nur noch da.
»Kennen Sie einen Johann Sattler?«, fragte Schönlieb schließlich.
»Ja. Das ist Huynhs Kumpel in der Uni. Ein eingebildeter Typ. Schrecklich. Ich weiß nicht, was Huynh an ihm fand, aber er hing oft mit ihm und den anderen Jungs zusammen.«
»Könnten Sie sich vorstellen, dass Huynh und Johann zusammen den Verkauf der Ritalintabletten organisierten und abwickelten?«
Marie schüttelte verneinend den Kopf und starrte weiter vor sich hin, ins Nichts. Eine Träne lief über die Wange bis zur Oberlippe. Von dort tropfte sie sehr langsam herunter. Wie in Zeitlupe.
»Huynh macht doch so etwas nicht. Bei Johann kann ich mir alles vorstellen.«
»Haben Sie irgendwann mal einen Streit zwischen den beiden beobachtet?«
Wieder schüttelte sie mit dem Kopf.
»Und zwischen Huynh und Alexander Röhnsdorf, hat es da mal Streit gegeben, vielleicht sogar eine Prügelei?«, fragte Schönlieb weiter und dachte an das blaue Auge von Alexander.
Kurz blickte Marie hoch und sah Schönlieb direkt an, als wolle sie etwas sagen, doch dann ließ sie den Kopf hängen und schüttelte ihn erneut.
»Huynh hat es eigentlich vermieden, dass wir uns alle zusammen trafen, also Johann, die Jungs und ich. Wenn er sich mit denen traf, war ich meistens nicht dabei, wenn er sich mit mir getroffen hat, waren die Jungs nicht da.«
Marie schaute starr in den Raum, auf einen undefinierbaren Punkt. Eine Weile saßen sie still nebeneinander.
»Okay, das war’s dann erst mal«, sagte Schönlieb leise und ging aus der Tür. Er war die Treppe halb heruntergegangen, als Marie ihm hinterhergelaufen kam. Die Tränen hatte sie weggewischt.
»Gehen Sie zu Johann Sattler. Wenn Huynh tatsächlich etwas mit diesen Medikamenten zu tun gehabt hat, dann nur wegen Johann und den anderen Jungs.«
»Welchen anderen Jungs? Alexander, Mark und Dennis?« Schönlieb hatte die Namen, die er sich bei
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