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Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Schlüter
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so, dass er sie durch die großen Front- und Heckscheiben, durch die man durch den gesamten Zug schauen konnte, stets im Blick hatte. Seine Gedanken drehten sich nur darum, wie er sie weiter beobachten konnte. Alles andere, über das Schönlieb nachgedacht hatte, war weg, als hätte es nie existiert. So wie er wusste, dass er Hunger hatte, so wie er wusste, wenn er Durst hatte oder so müde war, dass es Zeit war zu schlafen, so wusste er jetzt, dass er mehr über diese Frau erfahren musste. Sie fuhr nur eine einzige Station und stieg am Gänsemarkt aus. Schönlieb hinterher. Als sie den Bahnsteig verlassen hatten, befanden sie sich in der Innenstadt, nahe des Rathauses. Die Frau steuerte direkt auf die große freie Fläche, den Gänsemarkt, zu. Am Rand des Platzes befand sich das Lessing-Denkmal. Die Frau ging auf die Statue zu, und plötzlich sah er, wie sie die Arme ausbreitete. Ein junger Mann kam ihr entgegen und umarmte sie. Freundlich begrüßten sie sich. Schönlieb meinte, ein Talent dafür zu haben, Menschen zu durchschauen, sie anhand nur weniger Gesten analysieren zu können. Er war überzeugt, dass dieser junge Mann unsterblich in diese junge Frau verliebt war – und dass sie diese Liebe nicht erwiderte. Der Typ würde sie nie bekommen, war sich Schönlieb sicher. Armer Kerl .
    Die beiden verließen den Platz entlang der ABC-Straße und waren wenige Augenblicke später verschwunden. Schönlieb stand noch immer ungefähr vierzig Meter von der Skulptur entfernt und rührte sich nicht. Es war, als ob er langsam aus einer Narkose erwachen würde. Er schaute sich um, und plötzlich fragte er sich, was zum Teufel er hier machte. Hatte er komplett den Verstand verloren? Was war los mit ihm? Er war einer wildfremden jungen Frau gefolgt! Einfach so, ohne jeden ersichtlichen Grund. Im wurde heiß, sein Kopf glühte. Er konnte förmlich spüren, wie sein Gesicht rot anlief. Er blickte in die Gesichter der vorübergehenden Passanten, und es war ihm, als wenn sie ihn vorwurfsvoll anblickten. Kranker Psycho! Schönlieb kniff die Augen zusammen und wischte sich mit den Händen einmal kräftig über sein Gesicht, während er tief einatmete und leise »Oh Mann!« murmelte.
    Es war höchste Zeit, nach Hause zu fahren. Doch dann hatte er eine andere Idee. Er würde nur fast nach Hause fahren. Eine Tür weiter rechts.

Kapitel 14
    »Bist du sicher?«, fragte Schönlieb ungläubig.
    »Klar, Digger!«, sagte Mitch und zerstampfte die zwei Ritalintabletten mit einem Mörser. Vielleicht hätte ich Mitch doch nicht bitten sollen, mich auf den Kiez zu begleiten , dachte Schönlieb, während er Mitch beim Zerdrücken der Tabletten zusah. Auf jeden Fall hätte ich ihm die Tabletten nicht zeigen sollen!
    Schönlieb hatte beschlossen, dem Grund nachzugehen, warum sich Alexander und Huynh so gestritten hatten, dass sie am Ende aufeinander eingeprügelt hatten und aus dem Club geflogen waren.
    Es war Dienstag, da würde die Reeperbahn nicht so überlaufen sein wie am Wochenende oder an den Donnerstagen, wenn die Studenten in die Kneipen und Clubs strömten. Die Barkeeper und Türsteher würden Zeit haben, sich die Fotos von Huynh und Alexander anzugucken, und vielleicht hatte er Glück, und einer würde sich erinnern.
    Johann hatte gesagt, der Streit hatte auf dem Hamburger Berg stattgefunden, eine kleine Seitenstraße, die direkt von der Reeperbahn abzweigte. Hier reihte sich ein Laden an den nächsten. Die Klientel bestand vor allem aus Studenten und war nicht ganz so prollig wie auf der anderen Seite der Reeperbahn, dem Hans-Albers-Platz, oder die Straße runter auf der Großen Freiheit. Aber was hieß das schon? Der gesamte Kiez verwandelte sich, sobald es dunkel wurde, in ein Sammelbecken der Feier- und Vergnügungssüchtigen, einen Schmelztiegel, in dem die Mischung aus Alkohol, Lust, Ausgelassenheit und Übermut jederzeit überkochen konnte. Schönlieb trieb es nicht oft auf die Vergnügungsmeile. Das war nicht seine Welt. Gäbe es nur das Leuchten der Schilder, das leichte Wummern der Bässe aus den Inneren der Clubs, den ranzigen Alkoholgeruch aus den Kneipen ohne all die Menschen, wäre es vielleicht etwas anderes gewesen, doch die Massen gehörten genauso dazu wie der Rest. Wenn er über die Reeperbahn ging, war er angespannt, immer in Erwartung einer unvorhergesehenen Situation. Gerade als Polizist, den Druck spürend, bei brenzligen Situationen eingreifen zu müssen, war der Besuch auf den Kiez für ihn häufig mehr

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