Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
bemerken würde. Eine Pille, mit der man besser lernen konnte. Die Neugier darauf entwickelte eine Kraft, der er sich nicht mehr lange entziehen können würde. Das spürte er schon jetzt.
Schönlieb war sich sicher, dass Johann die Ritalintabletten verkaufte. Womöglich hat er mit Huynh zusammengearbeitet. Vielleicht waren sie dabei irgendwie aneinandergeraten. Geld ist immer ein Grund für Streit. Vielleicht war es an der Zeit, den Undercovereinsatz schon jetzt abzubrechen und den Fall von der offiziellen Seite anzugehen. Andererseits wüsste er vorher noch gerne, worum es bei dem handfesten Streit zwischen Huynh und Alexander gegangen war.
Schönlieb ging weiter direkt an der Elbe entlang und schaute auf ein großes Containerschiff, das langsam in Richtung Hafen fuhr. Es war voll beladen, und die Container stapelten sich in unglaubliche Höhen.
Die Gegend hier gehörte zu einer der besten und teuersten, die Hamburg zu bieten hatte. Große Büsche und Hecken schützten die Häuser, die zu seiner Rechten lagen, vor neugierigen Blicken. Schönlieb nahm sein iPhone heraus und schaute mithilfe der Straßenkarten-App, wie weit er es noch hatte. Nicht mehr weit. Er bog nach rechts ab, schenkte der Elbe einen letzten Blick, ging noch ungefähr zweihundert Meter und stand dann vor einem großen Eingangstor, das sich wie eingelassen in der Mitte einer zwei Meter großen Hecke befand. Hier musste es eigentlich sein.
Auf der gebürsteten Edelstahlklingel stand kein Name. Schönlieb läutete.
Über der Klingel befanden sich ein kleiner Lautsprecher und eine winzige Kameralinse hinter einem dicken Glas.
»Wer ist da?«, drang es etwas verzerrt aus dem Lautsprecher.
»Kripo Hamburg, Schönlieb, ich würde gerne zu Marie von Hohenzollern.«
»Halten Sie bitte Ihren Ausweis vor die Kamera.«
Schönlieb nahm seinen Polizeiausweis und hielt ihn vor die Linse. Kurz darauf summte es kurz, und das Tor öffnete sich wie von Geisterhand.
Schönlieb trat durch die Tür in der Hecke und fühlte sich einen kurzen Augenblick wie Alice im Wunderland, im Garten der Herzkönigin, dort, wo sie mit den Flamingos Krocket spielen. Der Garten sah aus, als hätte man Rasen und Büsche mit einer Nagelschere auf exakte Höhe geschnitten. Irgendwo plätscherte etwas, vielleicht ein kleiner Springbrunnen, den Schönlieb aber nicht entdecken konnte. Er ging über einen Kieselweg bis zu einer großen Steintreppe und stand nun endlich vor der eigentlichen Haustür. Als er die letzte Stufe der Treppe nahm, öffnete sich die Tür, und ein älterer Herr mit weißem Haar und kantigem Gesicht öffnete ihm. Er streckte Schönlieb die Hand entgegen.
»Richard von Hohenzollern. Was wollen Sie von meiner Tochter?«
Der Mann kommt sofort auf den Punkt , dachte Schönlieb und gab ihm die Hand. »Ich würde gerne mit Marie über Huynh sprechen«, sagte er und holte das Foto von Huynh und Marie, das er bei Huynh gefunden hatte, aus seiner Manteltasche hervor.
»Hat er etwas angestellt?« Richard von Hohenzollern verzog keine Miene.
»Er ist tot.« Schönlieb meinte zu erkennen, dass sich – nur einen winzigen Augenblick – die Augenbrauen des Mannes bewegten. Kaum erkennbar. Ansonsten war es unmöglich, mehr aus seiner Mimik zu lesen.
»Was ist passiert?«, fragte von Hohenzollern.
»Er wurde wahrscheinlich ermordet.«
Jetzt zuckten die Augenbrauen schon etwas merklicher.
»Kannten Sie Huynh gut?«, hakte Schönlieb nach. »War er öfter hier? Schließlich war er der Freund von Marie.«
»Er war nicht oft hier«, behauptete Richard von Hohenzollern und bat Schönlieb mit einer Handbewegung ins Haus. »Treppe hoch, geradeaus. Da ist Maries Zimmer.«
Von Hohenzollern drehte sich um und verschwand irgendwo in dem großen Haus, ohne Schönlieb weiter zu beachten. Schönlieb stieg die breite Treppe hinauf in den ersten Stock. Das Haus roch nach teuren Möbeln, und alles um ihn herum wirkte erlesen und solide. Von unten hörte er jetzt das Klirren von Gläsern. Er klopfte an die hohe weiße Tür von Maries Zimmer. Als er keine Antwort bekam, trat er ein.
Die junge Frau saß auf ihrem Bett und hatte dicke Kopfhörer auf. Die Musik war so laut, dass auch Schönlieb sie hörte. Marie blickte aus dem Fenster und hatte Schönlieb noch nicht bemerkt. Sie hatte lange glatte hellbraune Haare, die den Rest des Körpers, so wie sie dort auf dem Bett saß, fast vollständig unter sich versteckten. Schönlieb ging vorsichtig um sie herum, damit sie ihn sah. Sie
Weitere Kostenlose Bücher