Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
beide hatten seitdem kein Wort mehr miteinander gewechselt.
Mitch kam wieder mit zwei neuen Astra-Flaschen, dabei hatte Schönlieb die zweite noch nicht mal zur Hälfte ausgetrunken. Er stellte die halb volle Flasche dennoch auf den Glastisch und nahm die neue, kühle Bierflasche und trank zwei große Züge. Mitch fing an, ungefragt von seiner neusten Eroberung zu erzählen, der neuen Kollegin bei ihm in der Werbeagentur.
Schönlieb hörte nicht richtig hin. Stattdessen versuchte er sich wieder auf sich zu konzentrieren, auf jede Veränderung seines Bewusstseins zu achten. Die Frage von Mitch hatte ihn kurzzeitig völlig abgelenkt. Dabei hatte er doch auf die Wirkung achten wollen, und er glaubte tatsächlich etwas zu bemerken, denn ab und zu lachte er über das, was Mitch erzählte, ohne genau verstanden zu haben, was er überhaupt gesagt hatte. Doch wenn Mitch auflachte und sich anscheinend über seine eigenen Witze amüsierte, dann konnte Schönlieb nicht anders als mitlachen. Das kannte er von sich sonst nicht. Wenn man sich jedoch völlig auf eine mögliche Wirkung konzentrierte, nahezu versteifte und nur darauf wartete, dass sie eintrat, war es da nicht auch leicht möglich, dass er sich die Wirkung nur einbildete? Eine Art Placeboeffekt?
Schönlieb nahm einen weiteren großen Schluck aus der Bierflasche. Es wurde langsam Zeit aufzubrechen – auf den Hamburger Berg.
Kapitel 15##BEG-ERSTE# #An einem Dienstag ...##ENDE-ERSTE##
An einem Dienstag ist auf dem Kiez nicht viel los, hatte Schönlieb gedacht. Zusammen mit einer Masse von Menschen stiegen Mitch und er aus der U-Bahn aus. Er hatte vollkommen unrecht gehabt, und es dauerte eine Weile, bis Schönlieb begriff, warum das so war. » Santa Pauli – Hamburgs geilster Weihnachtsmarkt « . Eine Gruppe laut lachender Männer und Frauen, die einheitlich Weihnachtsmannmützen trugen, hatte ihn daran erinnert. Der Weihnachtsmarkt auf dem Spielbudenplatz zog auch an einem Dienstag die Massen an. Hier fand man nicht nur Glühwein und die üblichen Holzschnitzereien, sondern auch Holzdildos und ein Strip-Zelt vor. Leute, die sich dämliche Mützen oder Hirschgeweihe aus Plüsch auf den Kopf setzten, gab es aber auch hier, wenn nicht sogar in noch größerer Anzahl.
Mitch und Schönlieb fuhren zusammen mit der Weihnachtsmützengruppe die Rolltreppe hinauf. Offensichtlich waren sie Kollegen und schon ordentlich angetrunken, bevor sie überhaupt den ersten Glühweinstand erreicht hatten. Sie rissen einen schlechten Bürowitz nach dem anderen, und immer wieder versuchte einer von ihnen, die anderen in Lautstärke und Witzigkeit zu übertreffen. Schönlieb war froh, dass er nicht mit diesen Leuten zusammenarbeiten musste, und das, wo er Wallner als Kollegen hatte.
Oben angekommen, überquerten die beiden zwei Ampeln und gingen an den tanzenden Türmen vorbei. Für viele alteingesessene Bewohner waren diese zwei Kolosse aus Stahl und Glas ein weiteres trauriges Zeichen, wie sich ihr Kiez veränderte.
Kurz darauf erreichten Schönlieb und Mitch den Weihnachtsmarkt. Schönlieb mochte Weihnachten nicht, und Weihnachtsmärkte erst recht nicht. Da konnten auch Stripperinnen und Holzdildos nichts dran ändern. Er war einfach neben Mitch hergetrottet und hatte nicht weiter nachgedacht, und jetzt standen sie in der Mitte dieses doofen Marktes.
»Wir wollten doch zum Hamburger Berg«, fuhr er Mitch an.
»Erst einmal trinken wir einen Glühwein«, rief Mitch, während er sich durch eine Traube von Menschen zwängte, die wie Pinguine dicht aneinandergedrückt um den Glühweinstand herumstanden.
Schönlieb seufzte und versuchte den Gedanken an Weihnachten wieder zu verdrängen – was auf einem Weihnachtsmarkt nicht so einfach war. Er wusste, je näher der 24.Dezember rückte, desto weniger würde er dem Ganzen entkommen. Diese ganze besinnliche Zeit und vor allem der Heilige Abend, das war für ihn immer eine grausame Zeit. Irgendwo in den Tiefen seiner Erinnerung, da gab es auch schöne Momente. Damals, als seine Mutter noch da war, doch präsenter waren ihm die etlichen Male mit seinem Vater und später alleine. Er wusste noch nicht, wo er dieses Jahr den Heiligen Abend verbringen würde. Letztes Jahr hatte er zu Hause auf dem Sessel gesessen und sich die komplette dritte Staffel von Breaking Bad auf DVD angesehen. Fast zehn Stunden. Danach hatte er kurz überlegt, ob er nicht wie die Hauptfiguren der Serie auch die Seite wechseln und lieber Crystal Meth verkaufen
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