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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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Hose vollgekackt hat, während wir dich vorsichtig zum Wagen brachten, zu meinem Wagen, wir schoben die Sitze vor, damit du die Beine nicht zu sehr krümmen müsstest, aber du nahmst es wie ein Mann, und während Nina unterwegs kurz am Kiosk einkaufte, legtest du mir deine verletzte Hand auf die Schulter und danktest mir dafür, dass ich für Nina da gewesen war, und zum Teufel mit allen Verrückten, du hast nicht vor, dein Leben von anderen lenken zu lassen, so bist du nicht, so warst du noch nie, es ist nicht deine Art, den Nacken zu beugen, aber weh tut es doch, verdammt weh, und wenn du es nicht besser wüsstest, dann müsstest du denken, dass sie dir die Eier in den Magen getreten haben. Humor, trotz allem, du warst stark, du lächeltest mit deinem zahnlosen Oberkiefer, und seht doch nur, wie gut ich den neuen Plastikfuß im Griff habe! Danach aßen wir Steak, blutiges Steak, dein Lieblingsessen, und du erzähltest so lustige Krankenhausanekdoten, dass wir einfach losprusten mussten, mitten im ganzen Elend. Ninas Blick über dem Tisch, dem dampfenden Essen, Ninas Blick in meinem die ganze Zeit, das ist mein Mann, mein starker witziger Mann, der für Simen und mich in den Krieg gezogen ist, ich hatte ihn gebeten, im Haus zu bleiben, aber glaubst du, er? Nein, er doch nicht, er sprengte sich den Weg frei und ging sofort auf diese fünf Typen los, ohne zu zögern, vielleicht sogar ohne zu denken, denn so ist er, genauso, und sie scherzte über deine Eiergeschichte, denn die wird sie mit Zeit und Liebe als Helferinnen schon klären können. Ich dachte, nein, ich weiß nicht, vielleicht dachte ich, wenn ich in etwas anderes schnitte als in dein Fleisch, wenn ich dich mental reduzierte, dann könnte das vielleicht etwas bringen, jedenfalls war mir da und dort klar, dass weitere Prügel keinen Zweck hätten. Aber was heißt schon Zweck … Ich merkte, dass ich dazugehörte, dass ich mich in dem tiefgrünen Esszimmer wohl fühlte, ich war ebenso wütend wie ihr über das, was passiert war, das war vielleicht seltsam, aber doch möglich, und ich hätte es früher niemals glauben können. Ich sagte, ihr müsst eine Direktverbindung zur Polizei einrichten lassen. Nina ist doch fast den ganzen Tag allein hier, sie können zurückkommen. Ich will die Sache ja nicht schlimmer machen, als sie ist, aber sie können zurückkommen, diese Typen vergessen nicht so rasch. Ich war aufrichtig verzweifelt über die Lage dieser kleinen Familie, das schwöre ich, ich konnte es nicht ertragen, aber trotzdem rief ich um zwei Uhr nachts aus der Telefonzelle am Marktplatz an, drei Stunden, nachdem ich nach Hause gefahren war, sie hatten den Stecker herausgezogen, aber mir war das egal, inzwischen hatte ich mir die Nummer von Niels Petters Mobiltelefon eingeprägt, und als sich sein Anrufbeantworter meldete, klopfte ich dreimal mit dem Fingernagel auf den Kunststoffhörer; mein neues Signal, endlich ein Geräusch, keine Stimme, sondern ein Geräusch, dann ging ich nach Hause, es war jetzt kälter, um mich herum gefror alles.
    Sie trank. Der Wagen war ihr doch egal, sollte er da stehen, wo er stand, stand er da vielleicht nicht gut, sie wurde nirgendwo erwartet. Sie wühlte herum, während die Bilder über den Schirm flirrten, ein Kind wurde zwischen den zitternden Schenkeln seiner Mutter hervorgezogen, ein Kind ohne Arme und Beine, Kontergan, weiter, neue Kriege, neue Sportveranstaltungen; sie fand die Liste in einer Schublade in Leos Schlafzimmer, die Liste enthielt 316 Objekte, Videos, Artikel, Bücher, Comics und ausgeschnittene Fotos, er sammelte abgetrennte Glieder, ihr wurde schwindlig, sie war nicht an Schnaps gewöhnt, sie ließ sich auf Leos Bett fallen, streifte die Stiefel ab und blieb liegen, ihr Gesicht in seinen Geruch gebohrt.
    Ehe sie einschlief, ehe sie sich in den Wirbelstrom ziehen ließ, den der Cognac in ihr aufgewühlt hatte, dachte sie an Johan Iversen, der unter den Stachelbeersträuchern gestorben war, zum ersten Mal hatte sie einen Menschen sterben sehen. Er hatte am Gartenzaun gestanden und sich mit dem Großvater unterhalten, sie unterhielten sich immer über den Gartenzaun hinweg, sie war dreizehn Jahre und hielt diesen Tag für einen ganz normalen Werktag im Juli, das hatte sie gedacht, als Iversen mitten in einem Satz umfiel und sich unter den Stachelbeersträuchern in krampfhaften Zuckungen wand, er wühlte Erde hoch und zerkratzte sich die Haut, und immer wieder sagte er, hast du schon mal solchen Unfug

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