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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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sagt er. »Ich bin im Moment der leitende Angestellte hier, und deshalb sage ich, wie es weitergeht. Erstens« – er zählt seine Anordnungen an den Fingern ab – »ich will, dass die Polizei alarmiert wird. Oberste Priorität. Zweitens, wir müssen herausfinden, ob unsere Audioverbindung in diesen Raum noch steht. Ich will wissen, ob sie uns hören können. Wenn nicht, müssen wir eine Möglichkeit finden, mit ihnen zu kommunizieren. Drittens …«
    Er zögert. Was »drittens« ist, weiß er nicht. Was er sich selbst gegenüber nicht zugegeben hat und niemand anderem je zugeben wird, ist dies: Er will das Video noch einmal sehen. Er will es immer und immer wieder sehen. Denn wenn er die geschlossene Tür der Gewahrsamszelle anstarrt und das unheimliche, gedämpfte Weinen aus den Bose-Lautsprechern an der Wand des Kontrollraums hört, hat er Angst, er könnte auf diesen Videoaufnahmen der Sicherheitskameras Melanie zum letzten Mal lebend sehen.
    »Drittens? Mr LeGrande?«
    »Ja«, sagt er. »Ich möchte, dass diese Videoaufnahmen auf eine separate Festplatte kopiert werden, auf dem Zentralserver des Kuratoriums, nicht unten. Sofort.«
    Jonathan Keay
    Berrington Manor ist das unheimlichste Haus, in dem Caffery je gewesen ist. Jonathan ist im obersten Stock des Hauses, sagt seine Mutter. »Er will in unserem Haus wohnen, aber er will uns nicht sehen und nicht mit uns sprechen. Sie werden deshalb verstehen, dass ich nicht mit Ihnen zu ihm ins Zimmer möchte.«
    Sie führt Caffery über schmale, holzgetäfelte Treppen nach oben, ohne ein Wort zu sagen. Das einzige Geräusch ist das Knarren der Stufen. Sie hält den Rücken steif; es ist, als folge er einer Gefängniswärterin oder einer steifleinenen Matrone in einem Internat. Kurz kommt ihm der Gedanke, dass er hier nicht mehr lebend herauskommen wird. Mrs Keay wird eine Tür öffnen und ihn hindurchstoßen – und er wird auf einer Achterbahn in die Eingeweide der Hölle fahren.
    Sie sind ganz oben angekommen – in einem schmalen, niedrigen Korridor mit Lampen in den Mansardenfenstern. Ein medizinischer Geruch, gemischt mit einem Hauch von Sattelseife, hängt in der Luft. Mrs Keay bleibt vor einer Tür stehen und legt die Hand auf den Knauf. Sie dreht sich zu Caffery um und sieht ihn wieder mit diesem traurigen Lächeln an.
    »Es tut mir leid – ich würde zu gern mit hineinkommen. Aber er wird mich da nicht haben wollen.«
    Caffery tritt durch die Tür, und sie zieht sie hinter ihm zu. Blinzelnd steht er im Halbdunkel. Sie hat die Tür nicht abgeschlossen, aber das ändert nichts an dem unbestimmten Gefühl, dass er in eine Falle gelockt worden ist.
    »Hallo«, sagt eine Stimme. »Sie sehen aus wie ein Cop.«
    Er dreht sich um. Kein fettglänzender Müllschlucker zur Hölle – es ist eine Dachkammer mit zwei Mansardenfenstern und zottigen Flokati-Teppichen auf dem Dielenboden. Ein großer Mann mit einem kurzgeschnittenen, grau melierten Bart sitzt an einem niedrigen Schreibtisch vor einem iMac.
    Er schiebt seinen Stuhl zurück und dreht sich zu Caffery um. »Sie sind ein Cop, nicht wahr?«
    »Das können Sie erkennen?«
    »Im Laufe der Jahre lernt man das.«
    Caffery blinzelt. Seine Augen gewöhnen sich an das Licht, und jetzt kann er Jonathan deutlicher sehen. Er ist Ende dreißig und trägt ein schwarzes T-Shirt und Shorts. Ein pinkfarbenes Kinesio-Tape klebt sternförmig auf seinem rechten Bizeps.
    »Detective Inspector Jack Caffery.«
    »Jonathan Keay.« Er steht auf, kommt herüber und reicht Caffery die Hand.
    »Sind Sie krank?«
    »Das ist eine Frage der Perspektive.«
    »Ihre Mutter sagt, Sie hatten eine Prügelei.«
    Es bleibt lange still. Jonathan mustert Caffery eingehend – sein Blick wandert über das Gesicht. »Werden Sie sich jetzt hinsetzen?«, fragt er schließlich.
    »Darf ich denn?«
    »Warum, glauben Sie, habe ich gefragt?«
    Caffery geht zu einem Designersessel aus weißem Leder mit einem Stahlrohrrahmen. Er setzt sich auf die vordere Kante und betrachtet Jonathan, und er sieht die sehnigen, sommersprossigen Gliedmaßen. Auf dem Nachttisch neben dem Bett liegt ein Stapel von Medikamentenschachteln. Das pinkfarbene Tape auf dem Arm verschwindet unter dem Ärmel und schaut unter dem Halsausschnitt des T-Shirts hervor.
    »Mr Keay. Ich hätte da ein paar Fragen … Kann ich mit dem Hartwool Hospital in Rotherham anfangen? Haben Sie dort gearbeitet?«
    Jonathan setzt sich müde hin, als habe er sich damit abgefunden, dass jetzt eine lange und

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