Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
die Stirn. »Ich dachte, Sie sind hier, um mir das zu sagen.«
Die Sicherheitszentrale
Die Alarmsirenen sind verstummt, und die plötzliche Stille ist wie ein Schlag ins Gesicht. AJ klingelt es in den Ohren. Er ist mit Big Lurch und dem Supervisor im Security-Kontrollraum der Klinik. Die beiden stehen mit verschränkten Armen da, haben die Hände unter die Achseln geschoben und vermeiden es betreten, einander anzusehen. Keiner von ihnen begreift so recht, was vorgefallen ist. Und was noch beunruhigender ist: Sie haben keine Ahnung, wer in dieser Situation das Kommando übernimmt.
Sie haben das Gebäude komplett abriegeln lassen. Die Patienten sind auf ihren Zimmern, und jede Station hat ihre Insassen abgezählt und Vollständigkeit gemeldet. Der Supervisor hat soeben in sein Dienstlog gekritzelt, was er unternommen hat. Die Videostreams der Kameras sind so ausgetauscht worden, dass die Bilder, die sie sehen wollen, auf die beiden Monitore gesendet werden, die dem Schreibtisch des Supervisors am nächsten sind. Der eine Monitor zeigt Station Myrte. Die Kamera ist auf die geschlossene Tür des Absonderungsraums gerichtet. Das Personal nennt ihn »das ruhige Zimmer«, aber alle wissen, das ist ein Euphemismus für Gewahrsamszelle. Ein unkooperativer Patient wird in das »ruhige Zimmer« gebracht, wo er sich »austoben« kann, bis er sich beruhigt.
Normalerweise fangen die Patienten dort damit an, dass sie sich ausziehen und gegen die Wände treten. Aber diesmal nicht. Diesmal ist auch kein Patient in der Zelle. Es ist ein Expatient: Isaac Handel. Und bei ihm ist Melanie Arrow.
»Aber man kann die Tür nicht von innen verschließen.«
Der Security Supervisor nickt ernst. »Doch, kann man, wenn man mit reinnimmt, was er mitgenommen hat.«
»Was hat er mit reingenommen?«
»Ich weiß es nicht. Er hatte eine Sporttasche dabei. Wir hatten keine Chance, etwas zu sehen, aber er hat die Tür irgendwie verkeilt oder verriegelt. Wir wissen nicht, womit. Und wie Sie sehen, haben wir auch kein Bild. Die Kamera hat er ebenfalls erledigt.«
AJ flucht lautlos vor sich hin. Am liebsten würde er diesem flachköpfigen »Rent-a-Gorilla«-Supervisor einen Tritt in den Arsch verpassen. So was kann doch nicht passieren. Es darf nicht passieren. Dies ist eine der sichersten psychiatrischen Kliniken im ganzen Land – da kann man doch nicht einfach so eindringen. Andererseits sind natürlich die meisten Sicherheitsmaßnahmen darauf ausgerichtet, die Patienten am Gehen zu hindern, nicht am Hereinspazieren.
Auf einem dritten Monitor läuft aufgezeichnetes Material. AJ legt eine Hand auf den Monitor und schaut aufmerksam zu. »Gehen Sie noch mal auf Anfang – ich will das noch mal sehen.«
Der Supervisor presst die Lippen zusammen. Er bemüht sich sehr, cool zu bleiben, und verzieht keine Miene, als er mit der Fernbedienung auf den Player zielt und das Video zurücklaufen lässt. Dann startet er es noch einmal, und AJ sitzt da und wendet den Blick nicht vom Bildschirm.
Dies sind Aufnahmen von der Kamera hier in der Security-Zentrale. Am Anfang sieht man den Parkplatz, die glatten weißen Lichtkreise der Außenbeleuchtung. Die grellen Lichtkegel eines herankommenden Scheinwerferpaars sind das erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Melanies Beetle kommt schleudernd auf den Parkplatz und hält blindlings quer über zwei markierten Parkplätzen an. Melanie sitzt am Steuer, und jemand hält ihr etwas an den Hals. AJ weiß selbst auf diese Entfernung, dass es ein Teppichmesser ist, denn er hat schon gesehen, was als Nächstes geschieht.
Die Beifahrertür öffnet sich, und Isaac steigt aus. Er ist es ohne jeden Zweifel – klein und mit dieser unverwechselbaren Topffrisur, die ihm das Aussehen eines nervösen jungen Mönchs verleiht. Er trägt seinen gestreiften Pullover, künstlich ausgebleichte Jeans und Laufschuhe. Den Kopf hält er erhoben und leicht zurückgelegt, als trage er eine Maske und könne nur etwas sehen, wenn er an seiner Nase entlangblinzelt.
Die Fahrertür geht auf. Melanie ist hinter der Frontscheibe nicht gut zu erkennen, aber AJ sieht, dass sie überlegt, ob sie es schaffen kann, wegzulaufen oder nicht. Bevor sie einen Versuch unternehmen kann, ist Isaac vorn um den Wagen herumgerannt und hält ihr wieder das Teppichmesser an die Kehle.
AJ hat die Aufnahme jetzt drei Mal gesehen – aber er kann nicht anders, er muss sie noch einmal sehen. Die nächsten zweieinhalb Minuten stammen von drei
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