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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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eins mit der großen, prächtigen Macht. Jetzt wird sie alles speisen und nähren, was wächst. Ihr Geist wird schweben und umhertreiben wie Rauch und seinen Weg finden in jeden Baum, jeden Grashalm, jeden Vogel und jeden Pilz. Penny ist dankbar für die Natur, für die großzügige und vorurteilsfreie Art, wie sie sich erneuert, ungeachtet des dummen Zeugs, das die Menschen anstellen. Sie singt den Bäumen etwas vor, wenn sie ihre Früchte ausgeborgt hat. Im tiefsten Winter kehrt sie zu den Pflanzen zurück und bringt ihnen etwas von dem, was sie gemacht hat – Marmelade oder Sirup, Eingemachtes oder Schlehengin. In dieser Gegend haben früher alle die Apfelbäume so behandelt; sie kamen im Januar und begossen sie mit dem jungen Cider aus den Früchten des vergangenen Jahres. Es gibt immer noch Leute, die das tun. Sie nennen es Wassailing, diese Segnung des Baumes mit seinem eigenen Produkt. Penny benutzt lieber das schlichte alte Wort »danken«.
    Den Bäumen danken? Die Früchte ausborgen? Ihnen etwas vorsingen? Kein Wunder, dass du keinen Mann hast, denkt sie. Du bist ein verknöcherter alter Hippie. Du hast Windglockenspiele im Garten und Kristalle an den Fenstern, Herrgott noch mal. Kristalle . Eines Tages wirst du aufhören, dich zu waschen, und dann lässt du dir einen üppigen Bart wachsen, in dem kleine Tiere ihre Nester bauen.
    Sie wirft einen Blick auf das Telefon neben dem Bett und überlegt, ob es überhaupt jemanden gibt, mit dem sie darüber reden kann, dass Suki gestorben ist. Ihr Bruder wohnt im nächsten Dorf, aber sie hat ihn seit Jahren nicht gesehen, und außerdem bezweifelt sie, dass es ihn interessieren würde. Wen würde es interessieren? Die Lady im Laden an der Ecke vielleicht? Die Nachbarn? Wahrscheinlich nicht.
    Sie zieht den selbstgemachten Quilt vom Fußende herauf und hält ihn sich ans Gesicht. Die Steppdecke riecht leicht nach Hund. Sie atmet den Duft ein und reibt sich das Gesicht mit der Decke. Sie hat sie selbst genäht vor fünf Jahren. Wie eine Großmutter hat sie am Feuer gesessen, und Suki hat zu ihren Füßen gelegen. Sie hatte den Stoff abgetragener Kleider verarbeitet, verschossene Kissen, sogar ein Küchenhandtuch ist irgendwo dazwischen. Die Decke ist geliebt und benutzt worden, sie ist fadenscheinig und fällt fast auseinander.
    »Ach, Quilt«, murmelt Penny und lächelt traurig, »du brauchst ein bisschen liebevolle Fürsorge. Ein paar Reparaturen. Zeit zum Ausruhen. Genau wie ich.«
    Lange Unterhosen und Stiefel
    Big Lurch hat also recht gehabt. Melanie Arrow und Jonathan Keay waren ein Pärchen. AJ steht eine Zeitlang im Personalzimmer herum und betrachtet ein Foto von Keay, das am schwarzen Brett hängt, halb verdeckt zwischen verschiedenen Mitteilungen und Postkarten und Flyern. Er ist mit den Kollegen auf irgendeiner längst vergessenen Weihnachtsfeier aufgenommen worden, in irgendeinem längst vergessenen Pub. Er trägt ein Papphütchen und ein kariertes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. AJ schaut prüfend seine Augen an und sucht nach einem Hinweis, nach irgendeiner Andeutung dessen, was zwischen ihm und Melanie läuft. Aber er findet nichts.
    Er ist gar nicht sicher, ob er weiß, warum er jetzt zu ihr ins Büro gegangen ist. Interessiert es ihn, was mit Pauline und Moses und Zelda passiert ist? Wollte er ihr zeigen, dass es ihm nicht gleichgültig ist, was in der Klinik vorgeht? Kopf hoch, kleiner Soldat? Oder wollte er die Wahrheit über Melanie und Jonathan Keay herausfinden?
    Er fragt es sich immer noch, als er die Klinik verlässt, und denkt dabei an sie. Solche Gedanken würden ihn quälen, wenn er es zuließe, aber er ist alt genug, um sie nicht in diese Richtung laufen zu lassen. Stattdessen redet er sich ein, es sei die professionelle Sorge um das seelische Wohlbefinden einer Kollegin.
    Zu Hause beschwert Patience sich nicht darüber, dass er so spät kommt. Sie ist milde gestimmt und wird noch nachsichtiger, als er ihr die »Forager’s Fayre«-Marmelade gibt, die sie so gern mag. Sie öffnet ein Glas, schnuppert daran und schnalzt beifällig mit der Zunge.
    »Himmlisch. Wer immer dieses Zeug herstellt, benutzt allerbeste Zutaten. Ich ziehe den Hut vor ihr.«
    »Woher weißt du, dass es eine sie ist und kein er ?«
    »Bitte«, sagt Patience in tolerantem Ton, »zwing mich nicht zu einer sexistischen Äußerung.«
    Das Frühstück ist fertig. An Tagen, an denen Patience nichts aus dem Garten hat, das sie braten, kochen oder schmoren kann, geht sie in

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