Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
immer noch wegen Isaac.« Sie bricht ab und murmelt vor sich hin, und ihr Blick richtet sich auf einen Punkt am Boden, als sei da etwas oder jemand, mit dem sie redet. Schließlich hebt sie ruckartig den Kopf und starrt AJ durchdringend an. »Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht. Er hat uns verlassen.«
»Wo ist er jetzt? Kommt er her?«
»Nein. Er kommt nicht zurück. Das verspreche ich dir.«
»Hoch und heilig?«
»Ja, hoch und heilig.«
Monster Mother senkt das Kinn und runzelt die Stirn. Ihre Augen schließen sich halb. Sie murmelt wieder etwas vor sich hin, aber AJ kann nicht verstehen, was es ist.
»Gabriella? Erzählen Sie mir noch etwas anderes. Unsere Klinikdirektorin, Miss Arrow – können Sie sich erinnern, dass Isaac je über sie gesprochen hätte?«
Monster Mother funkelt AJ an und atmet plötzlich schneller.
»Gabriella?«
Statt zu antworten, springt sie auf und wendet sich ab, dem Fenster zu.
Sie wiegt sich hin und her, murmelt vor sich hin und massiert ihren Armstumpf, wie sie es immer tut, wenn sie beunruhigt ist.
AJ reibt sich müde die Augen. Er ist so weit gegangen, wie er kann. Ihr Schweigen ist die Antwort, die er gebraucht hat.
Genug ist genug.
Triumph
Caffery hat schon wieder schlecht geschlafen, und als er aufwacht, tut alles weh. Er trinkt Kaffee, nimmt Paracetamol, duscht, zieht sich an und fährt durch den dichten Verkehr von Bristol. Er hört Polizeisirenen und Autohupen, und im Radio läuft das Pendlerprogramm. Von Misty Kitson ist heute Morgen nicht die Rede, aber sie ist trotzdem da, irgendwo hinter den Schlagzeilen und Jingles und der Musik. Misty wird immer im Bewusstsein der Öffentlichkeit sein.
Flea sagt, die Leiche liege nicht auf dem Grund des Steinbruchsees. Die Sache sei komplizierter. Ist das die Wahrheit? Im Tauchen hat er keine Erfahrung. Es ist eine verzwickte Sportart, bei der es tausenderlei technische Dinge zu beherrschen gilt, aber es muss ja noch andere Leute geben, die ihm etwas darüber sagen können. Er bohrt die Fingernägel in den Lederbezug des Lenkrads und denkt darüber nach – denkt ernsthaft darüber nach. Es gibt andere Taucherteams bei der Polizei. Und es gibt kommerzielle Taucher. Wo soll man anfangen? Die Ironie des Ganzen entgeht ihm nicht. Wenn er bereit ist, jemand anderen hineinzuziehen, warum dann erst jetzt und nicht schon viel früher?
Er weiß nicht, auf wen er eine größere Wut hat – auf Flea? Oder auf sich selbst, weil er darauf vertraut hat, dass sie es sich am Ende doch noch anders überlegen wird?
Als er im Büro ankommt, erwartet ihn der Superintendent bereits am Empfang. Seinem selbstgefälligen Gesichtsausdruck ist anzusehen, dass ein neuer Fall hereingekommen ist. Er wartet unter dem gerahmten Foto des verstorbenen Chief Constable. Eine Hand ruht nonchalant auf dem Wasserkühler, und sein Lächeln ist geduldig und ein wenig triumphierend. Neben ihm steht ein dunkelhaariger Mann – Mitte vierzig, in einem Anzug, der ihm anscheinend unbehaglich ist. Caffery kennt ihn irgendwoher.
»Jack, ich darf Ihnen Mr LeGrande vorstellen. Er möchte ein Wort mit Ihnen reden.«
Caffery streckt die Hand aus. »Freut mich, Mr LeGrande.«
»Mr Caffery.« Sie schütteln einander die Hand.
LeGrande hat bereits einen Besucherausweis. Er hängt an einem der neuen MCIT -Schlüsselbänder, die mit den Silhouetten von Sherlock Holmes und Isambard Kingdom Brundel bedruckt sind. Eine komische Mischung – der Detektiv mit dem Ingenieur. »Nennen Sie mich einfach AJ. Wir sind uns auf dem Strafrechtsforum begegnet.«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Jack!« Mit dem Gehabe eines geschmeidigen Wahlkämpfers berührt er aufmunternd die Unterarme der beiden Männer. Er reitet auf diesem Triumph wie auf einem Sturmwind. »Warum gehen Sie mit Mr LeGrande nicht nach oben? Erzählen Sie mir später, worum es geht, ja?«
Sie machen sich auf den Weg zu seinem Büro, und auf dem Korridor überlegt Caffery, was AJ wohl von ihm wissen will. Hoffentlich ist er keiner dieser Wichtigtuer: Mr Caffery, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich empfangen. Ich wollte an die Diskussionen anknüpfen, die wir auf dem Forum geführt haben, und habe einen Vorschlag entworfen, wie Ihrerseits ein reibungsloserer Übergang vom Polizeigewahrsam in … bla bla bla …
In seinem Büro macht er ihnen beiden eine Tasse Kaffee. AJ sieht aus, als könnte er ihn mindestens so sehr gebrauchen wie Caffery und vielleicht noch mehr. Sie setzen sich, AJ auf das Sofa, Caffery an
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