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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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handelt sich um eine Art Scooby-Doo-Geist.«
    »Um was?«
    »Scooby-Doo. Sie wissen schon, die Zeichentrickfilme – Scooby und Shaggy und die Gang fangen den Geist, reißen ihm die Maske herunter und stellen fest, es ist … was weiß ich, der örtliche Immobilienmakler oder so was. Der den Leuten weismachen will, dass es irgendwo spukt, damit die Grundstückspreise sinken. So etwas nenne ich Scooby-Geist – etwas Reales, das als übernatürlich getarnt ist. Ich schätze, so etwas spukt in den Korridoren von Beechway.«
    »Und Sie sind Shaggy …«
    »Nein, ich bin Velma. Ich bin das Superhirn. Und übrigens bin ich auch Scully, denn manchmal nennt man mich auch so.«
    »Velma. Scully. Die Bühne gehört Ihnen. Schießen Sie los.«
    AJ nickt. Wenn er eine Nerdbrille hätte, würde er sie jetzt auf der Nase hochschieben.
    »Okay. Ich kann es nicht mehr mit Sicherheit feststellen, aber ich bin ziemlich sicher, es hat jedes Mal, wenn es passiert ist, einen Stromausfall gegeben.«
    »Aha.«
    »Ein Stromausfall legt die Überwachungskameras still.«
    »Und Sie haben viele Stromausfälle, ja?«
    »Nein. Zwei, vielleicht drei – an mehr kann ich mich aus den vier Jahren, seit ich dort bin, nicht erinnern.« Er stellt seinen Rucksack auf den Boden und macht ihn auf. »Ich habe etwas, das ich Ihnen zeigen möchte. Es wird Ihnen nichts sagen, aber mir …?« Er lächelt schmal und gequält. »Ja, mir hat es eine Heidenangst eingejagt.«
    Der Trauerrechner
    Flea steht in ihrer niedrigen Küche und macht Frühstück. Sie steht so dicht am Herd, dass allmählich endlich ein bisschen Wärme zurück in ihre Knochen kriecht. Sie hat geduscht und sich abgeschrubbt, aber es dauert ewig, die Kälte des Steinbruchs aus den Gliedern zu vertreiben.
    Ausdruckslos starrt sie auf die Pfanne, in der Eier und Speck brutzeln, und sie wendet beides mit mechanischen Bewegungen. Der Speck stammt vom örtlichen Biomarkt, und die Eier kommen von einer Nachbarsfamilie, die sich für die zwei Stunden bedanken möchte, die Flea darauf verwandt hat, die Mehrfachpumpe ihrer Fußbodenheizung zu reparieren. Als Taucherin kennt sie sich mit Pumpen aus, und es war kein Hexenwerk, aber sie lassen trotzdem dauernd Eier an der Hintertür zurück. Eier, Eier überall. Schon aus den Wänden kommen Eier.
    Sie schiebt ihr Frühstück auf einen Teller und knallt ihn ohne feierliche Umstände auf den Tisch, dazu einen schweren Becher mit starkem Kaffee und einen Zuckertopf, in dem ein Löffel steckt. Sie ist, wie der Sergeant einer Unterstützungseinheit sein soll: Sie hat ihr Frühstück gern gebraten und ohne großes Aufheben. Der Ketchup ist in einer Quetschflasche. Keine Allüren. Mum und Dad wären sofort in Ohnmacht gefallen, wenn sie das gesehen hätten.
    »Tja«, murmelt sie, als sie sich einen Stuhl heranzieht und anfängt zu essen. »Gut, dass ihr nicht hier seid, was?«
    Sie kaut konzentriert und stützt dabei die Ellenbogen auf den Tisch. Sie blickt nicht auf, schaut weder nach rechts noch nach links. Manchmal ist es besser, man erinnert sich nicht daran, wo man gerade ist. Zumal wenn man im Haus seiner toten Eltern ist. Dad würde jetzt wissen, was er ihr zu sagen hätte. Er würde ihr eine Hand auf die Schulter legen und ihre Fragen beantworten. Sie würde sagen: Dad, ist es okay, wenn man die Dinge einfach auf sich beruhen lässt? Und wenn ja, was sage ich dann zu diesem Mann? Wie erkläre ich es ihm? Denn eins ist klar: Er wird es nicht auf sich beruhen lassen .
    Dad würde ihr einen Kuss auf den Scheitel drücken und sanft und vernünftig mit ihr sprechen. Er würde die Antworten wissen, und wenn nicht, würde er mit Mum reden. Sie würden in das hintere Zimmer gehen, das Licht über dem Klavier einschalten und sich einander gegenüber in die Sessel setzen. Sie würden mit leiser Stimme miteinander sprechen, bis sie eine Lösung für ihr Problem gefunden hätten. Sie würden alle zusammenhalten, und Flea wäre in Sicherheit.
    Plötzlich muss sie aufhören zu kauen. Sie hält inne und schluckt, was sie im Mund hat, mühsam herunter. Dann sitzt sie eine Weile mit gesenktem Kopf da und starrt auf Eier und Speck.
    Es muss doch irgendwo eine Gleichung dafür geben, wie lange Trauer dauert. Einen Rechner, wie es ihn im Internet für verschiedene Währungen gibt. Da würde man Dinge wie sein Alter eingeben, sein Geschlecht, seinen Beruf, seine Freunde. Dann würde man das Ganze durch die Nähe zu der verlorenen Person dividieren und müsste eine Menge

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