Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
eine verrostete Eisenbahnbrücke, die nicht mehr in Betrieb war – mit großen Löchern, wo die Schienen herausgebrochen waren. Über die andere führte eine dreispurige Autobahn mit einem Mauthäuschen auf der einen Seite und ohne Seitenstreifen, auf dem man hätte zu Fuß hinübergehen können.
»Also, das wars dann wohl«, sagte Alice mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck – einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung.
Zach seufzte und ließ den Blick weiter am Ufer entlangschweifen. Auf beiden Seiten des großen unbekannten Flusses lagen Yachthäfen, die recht heruntergekommen wirkten. In einem Buch oder einem Film würde jetzt ein geheimnisvoller Fremder mit einem Boot auftauchen, der sie über den Fluss bringen würde. Wie Charon. Wahrscheinlich mit dem Ziel, sie hereinzulegen – doch wenn sie es schlau anstellten, hätten sie eine Chance. Und wenn er selbst William wäre, bräuchten sie gar keine Fähre, weil ihm die Neptunperle , sein Zweimaster, mitsamt der Besatzung zur Verfügung stünde.
Doch im wahren Leben ging es anders zu. Zach merkte plötzlich, wie müde er war. Vielleicht war es das, was sein Vater ihm beibringen wollte – dass erwachsen zu sein bedeutete, immer wieder enttäuscht zu werden.
»Wir können ja fragen«, meinte Poppy. »Vielleicht gibt es eine Fähre.«
Da es erst kurz nach zwölf war, gingen sie zum Hafen hinunter. Die wenigen Häuser – eine riesige Schiffslagerhalle, ein angebauter Schuppen und ein Büro – säumten drei lange Hafenbecken, in denen eine Reihe von Booten dümpelte. Zwei kleine Kinder beugten sich mit einem Fischernetz über die Seite einer Pfahlkonstruktion und beobachteten etwas im Wasser.
»Sollen wir uns trennen?«, schlug Zach vor. »Und versuchen, jemanden zu finden, der uns sagen kann, wie wir auf die andere Seite kommen?«
»Okay«, sagte Alice und warf einen Blick auf das Bürogebäude. »In fünf Minuten treffen wir uns hier wieder.«
»Ich rede mit den Kindern«, sagte Poppy, drehte sich um und ging auf sie zu.
Zach ging ein Stück geradeaus und atmete tief den Geruch von Diesel, Fluss und Teer ein, der in der Sonne schmorte. Es war warm geworden. Wäre es vielleicht möglich, ans andere Ufer zu schwimmen? Er überlegte, ob Alice nicht das große Los gezogen hatte, als sie in das Hauptgebäude gegangen war. Dort gab es bestimmt eine Klimaanlage und vielleicht auch einen Wasserspender.
Als er so am Hafen entlangschlenderte, entdeckte er ein altes Ruderboot, das auf einer Seite ins Trockendock gezogen worden war und an mehreren Pfählen lehnte. Der Lack war an den Seiten abgesplittert und Ruder gab es auch nicht, doch einen Augenblick lang stellte er sich vor, dass sie allein über den Fluss ruderten. Aber als er näher heranging, bemerkte er, dass der Rumpf bereits verfault war. Das Boot war nicht mehr seetüchtig. Man musste nicht viel über Boote wissen, um zu sehen, dass es lecken würde wie verrückt, sobald man es ins Wasser schob.
Seufzend betrachtete Zach die schnittigen lang gestreckten Motorboote und die hohen Fischereischiffe mit mehreren Aufbauten und langen Antennen, die wie die Schnurrhaare einer Katze in die Luft ragten. Er konnte sich nicht vorstellen, welche Leute solche Schiffe besaßen, doch man konnte davon ausgehen, dass sie nicht einfach jemanden über den Fluss brachten, nur weil sie höflich darum gebeten wurden.
Obwohl Zach haufenweise Bücher über Piraten gelesen und die Neptunperle bis hin zur Takelage in allen Details gezeichnet hatte und sogar Modellbauschiffe zusammengebastelt hatte, war er noch nie auf einem Schiff gewesen.
Er musterte nochmals prüfend das Ruderboot und fragte sich, ob man es reparieren konnte. Vielleicht wenn er sich Nägel, Holzleim und Teer besorgte. Sonst – wenn das nicht funktionierte – konnten sie vielleicht das Wasser schneller wieder herausschöpfen, als es hereinkam und so das Boot am Sinken hindern?
»Zach!«
Als er seinen Namen hörte, drehte er sich um. Poppy stand neben den beiden Jungen mit dem Fischernetz und winkte ihn zu sich.
»Brians Vater möchte seine Jolle verkaufen«, sagte sie, als Zach zu ihnen auf den Steg trat, der sich unter seinem Gewicht senkte. Er kämpfte um sein Gleichgewicht, nichts, was einem echten Piraten je widerfahren wäre.
»A-ha«, sagte er müde. Sie hatten höchstens noch fünfzehn Dollar, wenn sie nicht das Geld für die Rückfahrt angreifen wollten. »Wie viel will er dafür haben?«
»Fünfundzwanzig.« Poppy warf einen Blick
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