Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
vergessen, von wo sie in den Mülleimer gefallen war. Das hörte sich etwas abwegig an, aber Zach klammerte sich an diese Erklärung. Sonst müsste er glauben, sie hätte ihn in den Keller gelockt, damit er sich ihre Geschichte durchlas. Doch darüber wollte er sich später Gedanken machen, wenn er wieder draußen in der Sonne war.
Zach vermutete darüber hinaus, dass er einfach ausgeflippt war und deshalb etwas im Spiegel gesehen hatte, was sicherlich nicht dagewesen war.
Er bückte sich und nahm die Königin vorsichtig aus dem Abfalleimer. Er drückte sie an die Brust und lief los – aus dem Raum und die Treppe hoch. Oben schob er die Eingangstür der Bibliothek mit der Schulter auf und stürzte sich in den kühlen Herbsttag.
Sechzehntes Kapitel
Alice wartete bereits auf der anderen Seite der Bibliothek in ein Gebüsch geduckt. Sie wollte etwas sagen, entdeckte jedoch die Puppe auf seinem Arm und sprang auf.
»Du hast es geschafft!«, flüsterte sie. »Du hast sie gefunden!«
Er nickte energisch. »Wo ist Poppy?«
Kaum hatte er das gesagt, kam sie um die Ecke der Bibliothek zu ihnen gelaufen. Hinter ihr leuchteten pinkfarbene Haare. »Rennt!«, schrie sie. »Schnell! Los!«
Sie zischten die Straße hinunter und rasten über gewundene Sträßchen zur Hauptstraße. Als sie mehrere Häuserblöcke weit gelaufen waren, blieb Zach keuchend stehen. Als er sich umschaute, war Miss Katherine nicht mehr zu sehen. Er konnte sich denken, dass die gelben Schuhe mit den Schleifen zum Rennen nicht geeignet waren.
»Wir haben es geschafft«, sagte Zach.
»Du hast die Königin gefunden.« Poppy lächelte ihn an. Seit seiner Lügen wegen William hatte sie nicht mehr so gelächelt. In der ganzen Zeit, die sie nun schon ihre Mission verfolgten, hatte sie nicht so gelächelt.
Zach merkte selbst, wie breit er zurückgrinste. »Ich habe noch was gefunden. Es hat mit ihrer Geschichte zu tun. Ich glaube, ich weiß, was wir über sie herausfinden sollten.«
»Nicht jetzt.« Alice schüttelte den Kopf. »Wir müssen hier weg. Kann gut sein, dass die Bibliothekarin die Polizei ruft.«
»Weißt du noch, wo es zum Friedhof geht?«, fragte Zach Poppy.
Sie nickte. »Aber zu Fuß schaffen wir das nicht. Es sei denn …« Dann rannte sie wieder los, auf die Hauptstraße.
Zach und Alice liefen hinter ihr her, bis sie vor dem Glücksspielladen anhielt, vor dem mehrere Fahrräder standen. Zwei lehnten an der Mauer, während andere an ein Stoppschild angeschlossen waren. Poppy musterte sie nachdenklich.
»Das meinst du nicht ernst«, sagte Zach. »Wir müssen doch nur … «
Poppy schnappte sich ein Fahrrad und schob es zu Alice. »Du musst treten«, befahl Poppy. »Ich übernehme das Lenkrad und sage euch, wo es langgeht.«
Alice nickte, schwang das Bein über den Sattel und hielt es im Gleichgewicht.
»Das ist auch nicht schlimmer als die Sache mit dem Boot«, sagte Poppy und stieg vorne aufs Rad. »Wir bringen sie wieder zurück. Wenn wir uns beeilen, spielen sie vielleicht so lange, dass sie es gar nicht merken.«
Kopfschüttelnd griff Zach nach dem zweiten Fahrrad, das nicht abgeschlossen war. Er steckte die alte unheimliche Puppenkönigin in seinen Pulli und hielt sie mit der einen Hand fest, stieg auf und fuhr Poppy nach. Sie flitzten mit wehendem Haar über die Straße und traten immer schneller in die Pedale.
»Hier lang«, rief Poppy gegen den Wind. Ein kleiner Zettel flatterte in ihrer einen Hand, die andere streckte sie aus, um anzuzeigen, dass sie links abbogen.
Zach war wieder so fröhlich wie auf dem kleinen Segelboot. Das kam von der Zuversicht, es zu schaffen, und der Freude, ein Problem gelöst zu haben, das eben noch unüberwindlich erschienen war. Erst jetzt in der Rückschau begriff er, wie unfassbar irre ihr Plan gewesen war, Eleanor Kerchners Grab mitten in der Nacht zu suchen. Und doch waren sie jetzt hier, nur noch wenige Minuten vom Friedhof entfernt. Zu guter Letzt konnten sie doch zu denjenigen gehören, die eine Mission vollendeten.
Bei dieser Vorstellung spürte er, wie sich etwas in seinem Pullover bewegte.
Zachs Fahrrad geriet ins Trudeln und er wäre beinahe gestürzt. Stattdessen bremste er schwer atmend und hielt an. Alice schoss weiter die Straße hoch.
»Hör auf damit«, schalt er die Königin streng, ohne sich darum zu scheren, dass er sich wie ein Wahnsinniger aufführte. »Ich verstehe ja, dass du aufgeregt bist. Mir ist auch klar, dass wir kurz vorm Ziel sind. Ich kann sogar
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