Die Puppenspieler
sachte an die Zellentür. »Fra Mario?«
Richard erhob sich langsam. Beide musterten sich eine Weile. Wieder klopfte es. »Also schön«, sagte Richard schließlich und erinnerte sich an etwas. » Quid pro quo.«
Lorenzo de'Medici war ein vielbeschäftigter Mann. Er hatte im Alter von sechzehn Jahren begonnen, seinen Vater Piero bei den Regierungsgeschäften zu vertreten, mit zwanzig war er ohne auch nur ein einziges offizielles Amt oder einen Titel Herrscher der Stadt Florenz geworden.
Der heutige Tag unterschied sich nicht sehr von den übrigen: Lorenzo empfing die Vertreter der Signoria, beriet mit ihnen über innere und äußere Probleme der Stadt. Gesandte von Ferrante von Neapel hatten sich angesagt, eine umfangreiche Korrespondenz mit Herrschern bis hin zu Mohammed II. von Konstantinopel mußte erledigt werden, von den Belangen der Bank ganz zu schweigen. Die Bank der Medici zu leiten, war nicht gerade Lorenzos Lieblingsaufgabe, doch sie bildete nicht nur eine der Lebensgrundlagen seiner Familie, sondern vor allem auch die der platonischen Akademie und der zahlreichen Künstler, die er förderte.
Dennoch fand er die Zeit, um das neueste Gemälde seines Freundes Sandro Botticelli zu bewundern und den ›Garten‹ zu besuchen, die Schule der Bildhauer, in die vor kurzem der junge Michelangelo Buonarroti aufgenommen worden war. Die Wiedererweckung des Geistes der Antike stellte eines von Lorenzos großen Zielen dar, und nach dem Besuch bei Bertoldo und seinen Bildhauerlehrlingen schrieb er ein wenig an seinem neuen Stück über Kaiser Julian, der seinerzeit versucht hatte, die heidnische Religion wieder einzuführen.
Dringende Botschaften aus Rom, wo der Papst darauf bestand, daß die Restsumme für die Kardinalswürde von Lorenzos zweitem Sohn Giovanni sofort gezahlt werden sollte, unterbrachen ihn jedoch bald. Giovanni war kaum vierzehn Jahre alt, so daß die Angelegenheit noch strikte Geheimhaltung erforderte.
Erst am späten Abend, nach dem Gastmahl, das wie immer jedem offenstand, zog sich Lorenzo in die private Atmosphäre seines Studiolos zurück. Marsilio Ficino, mit dem er eine Partie Schach spielte, bemerkte, daß sein ehemaliger Schüler unkonzentriert war und machte taktvoll den Vorschlag, das Spiel für heute zu beenden. Lorenzo schüttelte den Kopf und setzte seinen Springer. Ficino entschloß sich, von der Freiheit ihrer jahrzehntelangen Freundschaft Gebrauch zu machen.
»Aber du bist müde, Magnifico.«
Lorenzo lachte. »Nenne mich nicht so – der Titel war noch nie so lächerlich wie jetzt. Ich bin nicht müde. Die Gicht setzt mir wieder zu.«
Auf Marsilio Ficinos Stirn entstanden steile Falten. Der älteste der Platoniker hatte nacheinander Cosimo und Piero de'Medici an der Gicht sterben stehen. Piero, vom Volk Il Gottoso, der Gichtige, genannt, hatte seinen Vater nur um fünf Jahre überlebt und war schon vor der Machtübernahme von seiner Krankheit zum Krüppel gemacht worden. Und die Zeiten, in denen Lorenzo noch regelmäßig mit seinen Freunden auf die Falkenjagd ging, lagen mittlerweile weit zurück, obwohl Lorenzo erst vierzig Jahre alt war.
»Du solltest wieder nach Poggio a Caiano gehen und deinem Arzt endlich die Möglichkeit geben, dich zu behandeln.«
»Ich brauche keinen Arzt – ich bin selbst einer von den Ärzten«, entgegnete Lorenzo mit einem Wortspiel auf seinen Familiennamen. »Und im übrigen warte ich auf deinen Zug, Marsilio .«
Der Ältere schüttelte den Kopf. »Alle Medici sind so eigensinnig wie Ochsen. Geh trotzdem zu Bett, Lorenzo, wenigstens heute abend. Ich bin selbst müde.«
»Du bist in Gefahr, zu verlieren, das ist alles. Pico hat mir gesagt, er wolle heute abend etwas mit mir besprechen, du siehst, wir müssen auf ihn warten.«
»Ausreden«, brummte der Philosoph, griff jedoch ergeben nach einem der Bauern. Er war tatsächlich müde, aber die Aussicht auf eine Diskussion mit Pico della Mirandola belebte ihn zusehends. Pico war im vergangenen Monat in der Lombardei gewesen, um dort einen neuen Prediger zu hören, und war gerade erst nach Florenz zurückgekehrt. Marsilio hoffte nur, daß er aus der Lombardei nicht wieder einen Schub religiöser Schwermut mitgebracht hatte.
Als ein Diener Pico hereinführte, stand die Partie unentschieden. Lorenzo erhob sich und bemerkte sofort, daß Pico einen seiner Freunde bei sich hatte, den jungen Mario Volterra. Pico wartete, bis der Diener verschwunden war, dann sagte er mit drängender Stimme: »Magnifico,
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