Die Puppenspieler
vom Fleck.« Richard stand bewegungslos und musterte Epelstein. Zobeida erkannte, was er vorhatte, und sagte leise und beschwörend: »Bitte, Richard, hole mir meinen Mantel.«
Richard löste seinen Blick von Epelstein, schluckte, nickte stumm, drehte sich um und tat, was sie ihm aufgetragen hatte. Fieberhaft versuchte er, klar zu denken, zu überlegen, eine Lösung zu finden. Er wollte sich auf Epelstein stürzen, auf jeden dieser Männer, die anscheinend nun fündig geworden zu sein glaubten, denn man hörte erfreute Rufe, doch er wußte selbst in diesem Zustand, daß es überhaupt nichts nützen würde. Er hatte keine Chance. Nicht mit zwölf Jahren gleich mehreren erwachsenen Männern gegenüber. Es mußte einen anderen Weg geben … Der Abt! Der Abt würde seiner Mutter helfen, bestimmt würde er das, und je eher er von dieser Verhaftung erfuhr, desto besser!
Bruder Albert, Bruder Franz, all seine Lehrer, die immer so stolz auf ihn gewesen waren, mit denen er sich gut verstand – sie würden ihn und seine Mutter bestimmt unterstützen. Ja, es waren nur Bruder Ludwig und der Inquisitor, die eine Bedrohung darstellten, aber die Kirche stand hinter Zobeida und ihm.
Mit zitternden Händen legte er ihr den Umhang um die Schultern und flüsterte ihr hastig auf Arabisch zu, er würde Hilfe holen.
»Sprich gefälligst deutsch!« fuhr ihn Epelstein an. »Oder sind das etwa schon Zauberformeln?«
»Gehen wir jetzt endlich?« unterbrach Zobeida kühl, um Ruhe bemüht. »Ich ziehe nämlich jeden Ort Eurer Gegenwart bei weitem vor.«
»Bei Gott!« Epelstein blieb der Mund offenstehen. »Unverschämt wird das Weib auch noch …«
Es war das letzte, was Richard ihn sagen hörte, ehe er durch die Tür verschwand. Niemand achtete auf ihn. Schließlich war nicht er das Wild, nach dem sie gejagt hatten. Früher hätte er die Gegend blind gekannt, aber nun stolperte er durch die Dunkelheit, als sei jeder Stein, jedes Haus, jede Gasse neu für ihn. Und in gewissem Sinn war es das auch. Alles Vertraute hatte sich in eine grauenhaft veränderte Alptraumlandschaft verwandelt, in der er nun rannte, nicht im geringsten sicher, ob das Kloster überhaupt noch in dieser Welt war.
4
N ACH ALL DEN W OCHEN schönen Wetters hatte nun endlich Regen eingesetzt, und Bruder Albert hörte das sanfte, stete Hämmern der Tropfen, während er in dem fahlen Morgenlicht der Klosterzelle, in der sich Richard nun seit drei Tagen befand, versuchte, den Jungen zu beruhigen.
»Nein, ich verstehe es nicht«, sagte Richard wütend. »Als ich gleich nach der Verhaftung am Sonntag hierherkam, versprach der Abt, sich sofort darum zu kümmern, und er schien auch wirklich aufgebracht zu sein. Aber mittlerweile glaube ich, er war nur zornig darüber, daß Bruder Ludwig hinter seinem Rücken gehandelt hat! Dann hat er mich daran gehindert, in die Stadt zu meiner Mutter oder zurück zu unserem Haus zu gehen, und mich in diese Zelle hier einsperren lassen! Und jetzt sagt Ihr mir, daß sich überhaupt nichts geändert hat, daß meine Mutter noch immer im Kerker ist, wo Ihr doch gestern behauptet habt, es sei üblich, Angeklagte gegen eine Bürgschaft freizulassen!«
»Es war üblich«, sagte Bruder Albert müde. »Der Inquisitor teilte uns mit, daß diese Regelung bei Hexen entfällt. Und im übrigen denkt der Abt sehr viel weiser als du, Richard. Danke Gott dafür, daß du noch so jung und kein Mädchen bist, und daß sich Bruder Heinrich bisher noch nicht um dich gekümmert hat. Als Kind kannst du nicht angeklagt werden, aber er könnte auf die Idee kommen, du wärest von deiner Mutter unterwiesen oder irgendwie infiziert worden, und dann stünde dir nicht mehr und nicht weniger als ein Exorzismus bevor. Was Bruder Ludwig betrifft, er hat einen strengen Verweis vom Abt erhalten und wird das Kloster verlassen, wenn ihn der Inquisitor nicht mehr benötigt. Und um schließlich von deiner Mutter zu sprechen, ich habe eingewilligt, ihr Advocatus zu sein. Aber es erleichtert meine Arbeit nicht gerade, daß man in eurem Haus Darstellungen von Personen gefunden hat, die verhext zu haben sie angeklagt ist, und allerlei Tand, der ebenfalls nach Zaubergerät aussieht, für Bruder Heinrich zumindest.«
Richard starrte auf seine Hände. »Es sind meine Zeichnungen«, sagte er, »ich habe sie gemacht, nur so zum Spaß.«
»Mag sein«, erwiderte Bruder Albert trocken, »aber ich denke nicht, daß Bruder Heinrich das glauben wird.« Er schüttelte den Kopf.
Die ganze
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