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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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derartigen Schwur zu halten. Schließlich befand er sich in einer Zwangslage.
    »Wir, Richter und Beisitzer«, diktierte die eintönige Stimme Rainer Wassermanns dem Schreiber, »die wir auf die Ergebnisse dieses von uns geführten Prozesses gegen Euch, Zobeida Artzt, ansässig in Wandlingen, achten und sie erwägen, finden nach sorgfältiger Prüfung aller Punkte, daß Ihr in Euren Aussagen veränderlich seid, weil Ihr nämlich sagt, Ihr habt zwar Drohungen oder Prophezeiungen ausgestoßen, aber nicht in jener Absicht. Und doch sind nichtsdestoweniger verschiedene Indizien vorhanden, welche genügen, Euch den peinlichen Fragen und Foltern auszusetzen. Deswegen erklären, urteilen und erkennen wir, daß Ihr am gegenwärtigen Tag und zur zehnten Stunde der peinlichen Befragung ausgesetzt werden sollt. Gefällt ist dieses Urteil in Wandlingen im Beisein … etcétéra.«
    Zobeida saß regungslos da. Alles Blut war aus ihrem Gesicht gewichen. Bruder Albert schlug das Kreuz. Peinliche Befragung! Sie hatte bis jetzt eine bewundernswürdige Haltung bewiesen, doch es war schon bei Männern selten, unter der Folter nicht zusammenzubrechen. Der Inquisitor winkte ihn zu sich.
    »Nun, Frater«, sagte er mit zuckenden Mundwinkeln, »ich muß gestehen, ich habe Euch bis jetzt nicht oft zu Wort kommen lassen. Doch hat es seinen Grund. Seht Ihr, ich bin um Eure Seligkeit besorgt.«
    »Wie das, Bruder? Ich würde doch meinen, selbst eine Hexe hätte einen Anspruch auf einen Verteidiger.«
    »Ah, Ihr glaubt also auch, daß sie eine Hexe ist … Nein, schweigt, hört mich an. Ich hege … ich hege, wie soll ich sagen, die Befürchtung, daß Ihr bei Eurer Verteidigung Argumente gebrauchen könntet, die Euch … die Exkommunikation einbringen. Denkt an die Bulle des Papstes. Jeder, der die Existenz von Hexen leugnet, macht sich schuldig, so auch jeder, der die Arbeit der heiligen Inquisition behindert. Gewiß, es heißt von Euch, daß Ihr ein Mann mit fortschrittlichen Gedanken seid, doch achtet darauf, daß sie nicht ins Ketzerische ausarten, besonders nicht in so einem Fall. Ich würde mir wünschen, daß Ihr etwas mehr mit mir zusammenarbeitet.«
    »Advocatus sum «, murmelte Albert, »non inquisitor .«
    »Aber natürlich.« Institoris sah ihn einen Moment lang abschätzig an. »Nur möchte ich Euch noch bitten, Frater, der peinlichen Befragung beizuwohnen. Vielleicht öffnet sie Euch die Augen über die Natur dieser Frau.«
    So klein und verschlafen Wandlingen als Stadt auch war, die Folter war hier doch nicht fremd, und die Kammer, in der Schwerverbrecher gefoltert wurden, gut ausgerüstet. Bruder Albert hatte noch nie eine Folterung erlebt. Er sah von einem Gerät zum anderen und hatte das Gefühl, unversehens aus seiner sicheren Gelehrtenwelt ins Fegefeuer gerissen worden zu sein.
    Es dauerte lange, bis der Büttel Zobeida hereinführte, nackt und rückwärts, wie es der Inquisitor angeordnet hatte, ›denn der erste Blick, den eine Hexe in der Folterkammer tut, kann sehr wohl den Richter behexen‹. Bruder Albert wandte hastig die Augen ab. Die anderen Männer des Gerichts zeigten Unbehagen und Erregung zugleich. Der Büttel meldete, daß die Angeklagte, wie es der Inquisitor befohlen hatte, ordnungsgemäß von zwei ehrsamen Frauen der Stadt ausgezogen und ihre Kleider auf Zaubergerät untersucht worden seien, dies allerdings erfolglos.
    »Doch man hat nicht alles untersucht«, sagte der Inquisitor scharf. »Ah, hier zeigt sich wieder die beklagenswerte Unwissenheit des Landes. Viele Hexen verbergen teuflische Hilfen in ihren Haaren. Schert ihr also die Haare. Eigentlich sollte das von einer Frau getan werden, doch wir wollen keine Zeit mehr verschwenden.«
    Der Büttel griff sich ein Messer und zerrte Zobeidas Kopf nach hinten. Immer noch sagte sie keinen Ton. Sie hielt die Augen geschlossen, während das Messer langsam ihren Schädel, nur von kurzen Stoppeln bedeckt, sichtbar werden ließ. Es dauerte dem Inquisitor zu lange, und er wies einen zweiten Mann an, dem Büttel zu helfen.
    »Und vergeßt nicht – alle Haare müssen fallen.«
    Ein wenig verständnislos stammelte der Mann: »Alle Haare – Ihr meint, auch die an …«
    »Alle.«
    »Bruder«, protestierte Albert heftig, »das geht doch sicher zu weit.« Der Inquisitor beachtete ihn nicht, sondern hatte seine Augen unverwandt auf Zobeida geheftet.
    »Alle. Falls Ihr Schwierigkeiten habt, benutzt eine Fackel.«
    Jetzt starrten sie alle auf die Frau, und Bruder Albert

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