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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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näher? Wie oft warst du bei ihm, und welche Zeugen gibt es dafür?«
    Saviya zog ihre Hand zurück. Sie trat etwas weiter in ihre Zelle zurück, und er konnte sie in dem rußigen Licht, das die Fackeln im Gang verbreiteten, kaum mehr erkennen. »Das ist wichtig für meine Verteidigung, Saviya.«
    »Wie willst du mich verteidigen?« fragte sie tonlos. »Du hast nie irgend etwas verstanden, Riccardo. Oh, ich war ein paarmal mit dem Raja zusammen, nachdem ich nach Rom kam, aber als ich dich wiedergefunden hatte, war das vorbei. Ihr Gorgios hört immer nur auf die Worte, nie auf die Stimme des Blutes. Ich habe mein Blut mit deinem getauscht, Riccardo, hast du nie begriffen, daß ich dich liebe und immer lieben werde? Du hast mich nicht gebeten, zu dir zurückzukommen. Statt dessen hast du mich am Neujahrstag als Dirne bezeichnet. Natürlich bin ich danach wieder zu ihm gegangen.«
    Schweigen lag zwischen ihnen, so schwer lastend wie die verbrauchte Luft dieser Kerkerwelt.
    »Welche Zeugen?« fragte Richard schließlich.
    »Alle. Niemand«, antwortete sie kühl. »Es war nicht gerade ein Geheimnis, aber eigentlich ließ er mich kommen, um zu tanzen und seinen Gästen wahrzusagen. Er selbst glaubt nicht daran, genau wie du. Aber er sagte mir, er fände es sehr aufschlußreich, was seine Gäste glauben würden.«
    »Gut.« Richard zwang sich, nur die Neugier eines Anwalts zu zeigen. Er wollte sich jetzt nicht Saviya und Cesare Borgia zusammen vorstellen. Und noch weniger wollte er an Saviya und sich selbst denken, die eben ausgesprochenen Worte auf sich wirken lassen und sich ausmalen, was hätte sein können, wenn er seinen Stolz überwunden und ein einziges Mal offen mit ihr gesprochen hätte. Jedenfalls war nun auch geklärt, wie Fabio Orsini die Verbindung zwischen dem Kardinal von Valencia und Saviya entdeckt hatte. Er brauchte nur einmal bei Cesare Borgia eingeladen gewesen zu sein.
    »Du hattest also einen guten Grund für deine Besuche?«
    »Riccardo«, sagte sie unvermittelt, »hör mir diesmal zu. Ich habe in Florenz immer wieder versucht, deine Zukunft im Reisig zu lesen, zuerst mit dem Woiwoden, dann alleine. Der Woiwode glaubte, daß Tod von dir ausgeht, aber ich sah etwas anderes. Ich sah zwei Straßen – die Möglichkeit zum Leben und Tod für jemanden, der dich liebt. Das verwirrte mich, weil ich nicht wußte, welche Deutung die richtige ist, bis ich es verstand, und es erfüllt sich jetzt.«
    Der Schutzwall, den er sich mühsam aufgebaut hatte, brach in sich zusammen und wurde hinweggespült. Er umklammerte mit beiden Händen die Gitterstäbe, und es war nicht klar, ob er sie fortschleudern oder sich an ihnen festhalten wollte.
    »Du wirst nicht sterben, Saviya«, flüsterte er rauh, »du wirst nicht sterben!«
    »Nein«, erwiderte Saviya traurig. »Ich weiß nicht, warum; denn es sieht nun wirklich nicht gut für mich aus. Aber ich werde nicht sterben. Mario wird sterben.«
    »Mario?«
    »Ich sagte doch schon, Riccardo, du begreifst nie, wann jemand dich liebt. Aber ich habe das sofort begriffen, und deswegen habe ich ihn gehaßt, noch ehe ich ihn wiedererkannt habe. Bis er mir leid tat, weil du blind bist und er gefesselt von seinem Gott und seinem Gewissen. Er hätte nie etwas getan, was über Freundschaft hinausging, aber er liebt dich, und Gott helfe dir, Riccardo, du liebst ihn auch. Nur muß man dir so etwas sagen, von alleine merkst du es nicht, und ich sage es dir jetzt, weil ich gesehen habe, daß er sterben wird, wenn ich lebe. Und ich will seinen Tod nicht auf meinen Schultern tragen.«
    Und wenn es wahr ist, und wenn es wahr ist, dachte Richard, während er durch die nächtlichen Straßen von Rom lief, ohne zu merken, daß er seine Eskorte längst verloren hatte. Sie hatte keine Möglichkeit, zu erfahren, was in Florenz geschehen ist. Und wenn sie sehen kann, und wenn es wahr ist …
    Eine Gestalt griff ihn aus der Dunkelheit heraus an. Es mußte ein noch ungeübter Straßenräuber sein, denn er stach nicht sofort zu, sondern versuchte zuerst, die Börse zu erreichen, und Richard wandte erstmals die Verteidigungskünste an, die er sich angeeignet hatte. Mit wenigen Handgriffen, getrieben von Haß, der nicht einem unbekannten Dieb galt, entwaffnete er den Mann und schlug auf ihn ein, bis der Angegriffene zu Boden sank und liegenblieb. Und wenn es wahr ist, was tue ich dann?
    Der Kampf mit dem Unbekannten hatte seine Gedanken etwas geklärt, und auf dem Weg zum Fondaco hielt er immer wieder

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