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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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begrüßte der König Jakob Fuggers junge Gattin. »Ah, Frau Fugger! Ich erinnere mich …« Wohlgefällig streifte sein Blick Sybilles Formen. »Ihr seid noch schöner geworden, meine Liebe. Doch das müßt Ihr wohl, um den Fugger wenigstens kurz von seinen Zahlen abzubringen!«
    Der Einzug war in jeder Hinsicht ein Triumph für die Familie gewesen, wenn auch ein kostspieliger, dachte Richard, als er durch die Empfangsräume wanderte und sich an die monatelangen Vorbereitungen erinnerte. Gleich darauf schüttelte er den Kopf. »Ich denke schon wie ein Kaufmann«, sagte er halblaut. Ein Mann stieß ihn an. »Richard, Ihr träumt wohl? Mit wem sprecht Ihr?«
    Erfreut, wie ein Erwachsener angesprochen zu werden, wandte Richard sich um. Vor ihm stand Herbert Will, der neben anderen Aufgaben auch für das Gesinde zuständig war. »Und Ihr, Meister Will«, sagte Richard statt einer Antwort, »was tut Ihr hier?«
    Sein Gegenüber verzog das Gesicht. »Ich versuche, den Besuch des Königs zu überleben – Ihr wißt doch, Frau Sybille und Frau Veronika haben mir die Unterbringung seines Gefolges übertragen!«
    »Könnt Ihr mir sagen, wo …« begann Richard, wurde aber durch einen durchdringenden Ruf unterbrochen.
    »Wo ist er? Er soll doch hier sein! Wo?«
    »Darf ich fragen«, sagte Will höflich, mit Blick auf die Kleidung des Neuankömmlings, »wen Ihr sucht – edler Herr?«
    »Den Narresnarren, der es gewagt hat, mich in einem billigen Wirtshaus unterzubringen, mich, Ulrich Remar von Remar!«
    Er verursachte Schweigen und Verblüffung, weniger durch seine Rede als durch seine Person selbst. Richard musterte ihn verwundert. Ulrich von Remar sah nicht übel aus, er hatte dunkelblonde Haare, eine tadellose, muskulöse Gestalt und ein gebräuntes Gesicht, in dem selbst jetzt, wo er ärgerlich war, die weißen Zähne blitzten. Es schien, als sei Remar sich der Wirkung dieses Kontrastes bewußt und lege viel Wert darauf, seine gesunden Zähne auch zu zeigen. Doch was nicht nur bei Richard Erstaunen hervorrief, war die Kleidung dieses Herrn.
    Ulrich von Remar trug wie jedermann ein Wams und Pluderhosen, doch obwohl beides aus teuerstem Stoff gefertigt war, lag das Wams so eng an, als sei es für einen kleineren Mann gefertigt, und die Strümpfe aus rosa Seide, die er unter seinen Hosen trug, betonten jeden einzelnen Muskel seiner Beine. Entweder war Remar geizig oder entsetzlich eitel, schloß Richard.
    Indessen versuchte Herbert Will den zornigen Remar zu beschwichtigen. »Mein Herr, wir konnten nicht das gesamte Gefolge des Königs hier unterbringen, wir mußten einen Teil der Herbergen beanspruchen. Ich bin sicher, daß das Wirtshaus ›Zum goldenen Anker‹ …«
    »Aber ich nicht«, donnerte Remar. »Ein Graf Remar von Remar hat Anspruch darauf, in der unmittelbaren Nähe des Königs untergebracht zu werden! Ich bin sein bester Kämpe, er braucht mich!«
    Richard sah den Ausdruck auf Wills Gesicht und sagte schnell: »In meiner Kammer schläft sonst niemand. Sie ist zwar recht klein, aber für ein paar Nächte wird sie wohl …«
    »Und wer«, unterbrach Ulrich von Remar, »seid Ihr?«
    Richard dachte im stillen, daß sein schnelles Wachstum doch seine Vorteile hatte. Niemand hielt ihn mehr für ein Kind!
    »Richard Artzt, gnädiger Herr«, erwiderte er, wobei er das ›gnädig‹ besonders betonte, »der Neffe der Frau Fugger.«
    Remar musterte ihn unzufrieden. »Hm … nun, das ist besser als gar nichts. Besser Ihr als das Wirtshaus.«
    »Danke«, murmelte Richard und fragte sich gleichzeitig, ob er wahnsinnig gewesen war, sich für den ganzen Besuch des Königs diesen eitlen Laffen aufzuhalsen.
    Doch Ulrich von Remar machte offenbar einen Stimmungswandel durch. »Wenn ich es mir recht bedenke … Eure Gesellschaft paßt mir nicht übel. Ich bin gern mit jungen Menschen zusammen, bin ich doch selbst ein Jüngling … nun ja, noch recht jung.«
    Richard warf ihm einen Seitenblick zu. Remar war mindestens so alt wie Jakob.
    Unverdrossen zitierte der Graf auf Latein: »Haben die Himmlischen doch dem Jüngling, nicht Unwürdigen, jegliche Gabe verliehen – wie gut hat das Ovid doch ausgedrückt.«
    Richard stöhnte innerlich. Erstens handelte es sich um einen der bekannteren Verse von Vergil, zweitens hatte es Ulrich von Remar fertiggebracht, das Latein durch falsche Endungen so zu verunstalten, wie es nur irgend ging. Schicksalsergeben sagte er: »Vielleicht möchte der edle Herr jetzt seine Kammer sehen?«
    Richard

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