Die Puppenspieler
auch wenn er mich heiraten und zur Königin machen würde. Selbst dann nicht. Ich bin doch kein Dreck, auf den man spuckt!«
Richard wußte nicht, was er hätte sagen sollen. Er überlegte kurz, dann nahm er ihre Hand, wie er es in seinen Ritterromanen gelesen hatte, und küßte sie schnell. Die Berührung war ihm immer noch unangenehm, er spürte schwachen Widerwillen, doch er wollte ihr unbedingt zeigen, wie leid ihm das Geschehene tat. Dann machte er auf der Stelle kehrt und rannte davon. Barbara schaute ihm nach. Schließlich faltete sie das Blatt sorgsam zusammen, steckte es nach einigem Nachdenken in ihren Ausschnitt und machte sich wieder an ihre Arbeit.
Als eine der Hauptschwierigkeiten für Maximilians Augsburger Gastgeber erwies sich seine Turnierleidenschaft. Maximilian würde wohl genügend Kämpen mitbringen, doch die Mehrzahl seines adeligen Gefolges hielt Turniere mittlerweile für einen überflüssigen Zeitvertreib, und die Bürger hatten sich ohnehin nie damit abgegeben, es sei denn als Zuschauer. Woher sollte man also einen sachkundigen Fachmann nehmen, der das Turniergelände anlegen und alle notwendigen Vorbereitungen treffen würde?
Dank des Fuggerschen Einflusses fand sich natürlich auch hierfür eine Lösung. Richard hatte noch nie ein Turnier erlebt. Er verfolgte das Werden des Turnierfelds mit Spannung. Von überall her strömten Menschen herbei, die Richard mit Fragen überhäufte.
»… aber wie können die Gelehrten dort ihre Vorlesungen auch in der Volkssprache halten? Niemand käme hier auf die Idee, in den Universitäten die deutsche Sprache zu benutzen; seit ich denken kann, sagt mir jeder, daß Latein die Sprache der Wissenschaften ist!«
Jörg Heresfeld, gerade aus der Fuggerfaktorei in Venedig zurückgekehrt, seufzte ergeben.
»Junge, die Welschen sehen das anders. Sie dichten sogar in ihrer Sprache, statt wie anständige Menschen das Lateinische zu benutzen, und übersetzen die griechischen Philosophen.«
Richards Augen weiteten sich. »Seit den Minnesängern hat keiner mehr in Deutsch gedichtet, und niemand käme auf die Idee, Philosophisches ins Deutsche zu übersetzen.«
Konrad Pantinger, der im Vorübergehen Richards braunen Haarschopf erkannt hatte, trat hinzu.
»Und mit gutem Grund«, sagte er ein wenig streng. »Mag sein, daß die Doctores in Italien uns in vielem voraus sind, aber diese Idee ist völlig närrisch. Was für einen Sinn soll es haben, Philosophen in irgendeine Volkssprache zu übersetzen? Das Volk kann nicht lesen, und die Gelehrten sprechen alle Latein.«
»Ja, aber«, sagte Richard eifrig, »wenn man nun mehr Menschen unterrichten würde …«
»Dann hätte es immer noch keinen Sinn. Sieh dir die Minnelieder an – sprechen wir heute etwa noch so? Die Volkssprache«, er machte eine abwertende Handbewegung, »verändert sich ständig, sie kommt und geht wie ein Fluß. Überdies ist sie noch nicht einmal einheitlich – einen Bewohner der Hansestädte kann man kaum verstehen! Latein und Griechisch dagegen bleiben.«
Richard war nicht so leicht von dieser neuen Vorstellung abzubringen. »Aber, Magister Pantinger«, widersprach er, »gilt dasselbe nicht für die italienischen Dichter und Gelehrten? Warum versuchen sie es?«
Pantinger seufzte.
»Richard, die Welschen sind anders als wir. Einer der Ihren, Dante Alighieri aus Florenz, hat sogar schon vor hundert Jahren ein Epos im toskanischen Dialekt verfaßt, auf das sie so stolz sind wie die Römer auf Vergils Äneis. Es ist ihnen nicht auszureden.«
Richard sagte nachdenklich: »Vielleicht könntet Ihr mir dieses Epos leihen, wenn Ihr es besitzt, dann würden meine Sprachstudien … halt!« Er hatte bemerkt, daß Jörg Heresfeld die Gelegenheit benutzt hatte, um sich davonzustehlen.
»Halt, wartet! Ihr müßt mir noch mehr berichten … Entschuldigt, Magister Pantinger … Wartet! So wartet doch!«
Pantinger sah belustigt, wie Richard vergeblich versuchte, Heresfeld durch die Menschenmenge zu verfolgen, und schließlich enttäuscht zurückkam.
Mit Mühe verbarg er ein Lächeln. »Weißt du, Richard, gelegentlich müssen die Menschen auch etwas ausruhen. Versuch doch, dich ein wenig zurückzuhalten.«
»Wer sich zurückhält, erfährt nie etwas«, sagte der Junge schlagfertig. »Wißt Ihr schon, daß sie in Italien versuchen, die verlorengegangenen Statuen der Römer und Griechen wiederzufinden? Sie graben sogar schon danach!«
Diesmal war Konrad Pantinger begeistert. »Großartig! Wenn das
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