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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nicht alle Frauen in den ersten Jahren ihrer Ehe, und sie war noch jung. Sie würde Jakob viele Kinder schenken.
    Inzwischen wollte sie ihre Aufmerksamkeit Richard zukommen lassen. Was immer Jakob auch zu ihm gesagt haben mochte, es hatte ihn von seinem Elend befreit. Er sprühte zwar nicht gerade vor Fröhlichkeit, doch er war lebhaft, war wißbegierig wie früher und stürzte sich mit einer Leidenschaft – ja, Leidenschaft war das richtige Wort – in seine Studien, die beinahe erschreckend war. Er hatte sogar begonnen, sich von dem Vetter Basinger in die Geheimnisse der Goldschmiedekunst einweisen zu lassen.
    »Du bist es, der klug ist«, sagte sie lächelnd zu ihrem Gemahl. »Es lebe das Bürgertum!«
    Richard zögerte, dann betrat er den Raum, in dem er die Magd Barbara hatte staubwischen sehen. Er hatte Barbara gemieden, wo es nur ging, nicht nur um seine Erinnerung an das Geschehene zu verdrängen, sondern auch aus dem erwachenden Schuldgefühl, sich dem Mädchen gegenüber schlecht verhalten zu haben. Sie hatte nur freundlich zu ihm sein wollen, und er hatte sie auf schändliche Weise beleidigt.
    Er räusperte sich. Barbara schaute auf, und leichte Röte färbte ihre Wangen. Richard bemerkte, wie sich ihr Busen schneller hob und senkte, doch er bemerkte es ohne Begehren oder Ekel. Vorläufig zumindest hatten ihn die vergangenen Wochen und das Gespräch mit Jakob von der Fleischlichkeit geheilt.
    »Was wollt Ihr?«
    Ihre Stimme klang hoch und dünn. Er war noch nicht so alt, als daß nicht selbst sie, eine Magd, ihn nicht hätte duzen können. Ihre ganze Körperhaltung strahlte Feindseligkeit aus.
    »Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Barbara«, platzte er heraus und errötete ebenfalls. »Es war gemein und schrecklich, was ich getan habe, aber bitte, glaub mir – ich wollte es nicht. Bitte, verzeih mir.«
    Sie ließ das Staubtuch sinken. Stirnrunzelnd blickte sie ihn an, dann fragte sie plötzlich scharf: »Wo sind die anderen?«
    »Welche anderen?« fragte er verblüfft.
    »Die Taugenichtse, die glauben, noch weiter ihren Spaß mit mir treiben zu können! Ist es noch immer nicht genug? Wann habt Ihr Herren endlich …«
    »O nein«, protestierte er entsetzt, »so ist es nicht. Das soll kein Spaß sein, ich schwöre es dir!« Natürlich, sie mußte geglaubt haben, daß das Gelächter damals ihr galt und nicht ihm. Richard kam ein Einfall.
    »Soll ich dir die Entschuldigung schriftlich geben, auf einem Blatt Papier?« fragte er fieberhaft. Er mußte sie überzeugen!
    »Ich kann nicht lesen«, antwortete Barbara mürrisch. Doch sie kam näher. »Immerhin, schreibt, wenn es Euch Spaß macht!«
    Richard löste Federkiel und Tintenfaß von seinem Gürtel und war dankbar, daß er immer Material zum Schreiben und Zeichnen mit sich führte. Er schrieb hastig: »Ich, Richard Artzt, bitte dich, Barbara« – er kannte ihren Familiennamen nicht – »für das Unrecht, das ich dir angetan habe, aus tiefstem Herzen um Verzeihung.« Schwungvoll unterschrieb er, las es ihr vor und drückte es ihr in die Hand.
    Barbara schlug die Augen nieder. »Und das steht wirklich da? Nichts anderes? Kein Scherz?«
    »Wenn du mir noch nicht glaubst«, sagte Richard müde, »dann rufe ich den Nächstbesten herein, der des Lesens kundig ist, und bitte ihn, dies hier vorzulesen.«
    »Das würdet Ihr wirklich tun?«
    »Ja.«
    Sie schwieg eine Weile. Dann sah sie ihn gerade an und sagte mit gesenkter Stimme: »Mich hat noch niemand um Verzeihung gebeten, und gewiß noch kein Mann, und am allerwenigsten einer von der Herrschaft.«
    Richard kam es vor, als sähe er sie zum ersten Mal. Bisher hatte er nur die Dinge bemerkt, die jedem ins Auge fielen: die hübsche, dralle Figur und das gewöhnliche Gesicht mit den breiten Lippen und der rundlichen Nase. Nun entdeckte er, daß sie sanfte braune Augen hatte und üppiges, rotblondes Haar, das schön wäre, wenn man es nur einmal richtig waschen würde. Ihre Ohren waren zierlich, wie sie sich eine Dame nur wünschen konnte. Aber ihr jetzt zu sagen, daß er es angenehm fand, sie anzusehen, war gewiß das Falscheste, was er tun konnte.
    Unvermittelt sprach sie wieder. »Dieser Norbert, den Ihr damals dabei hattet«, ihre Miene wurde verächtlich, »der erzählt überall herum, ich sei ein Flittchen, weil er mit mir im Heu gelandet ist. Stimmt, ich war mit ihm in den Ställen. Ich wollte ein bißchen Spaß haben. Das will ich schon mal. Aber nicht für Geld, und nun tät ich's auch nicht wieder,

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