Die purpurnen Flüsse
ware n geschlossen , di e meiste n Möbe l unter verschiedenfarbige n Schonbezüge n verborgen . I n eine r Eck e stand ei n Fernsehapparat , danebe n ei n schwarze s Klavier , au f dem Notenhalte r ein e Etüd e i n b-Mol l vo n Chopin . De r Rau m la g im gedämpfte n flackernde n Lich t viele r Kerzen . »Hab e ic h Si e nicht aufgeweckt? « fragt e Kari m erstaunt , un d Fabienn e Hérault antwortet e leise : »Ic h hab e mic h au s de r Wel t un d de r Zeit weitgehen d zurückgezogen . Diese s Hau s is t mei n Ebenbild.«
Schweste r André e fie l ih m ein : Auc h si e hatt e sic h i n die Dunkelhei t zurückgezogen . »Un d di e Satellitenantenne? « fragt e er.
»Eine n gewisse n Kontak t wil l ic h halten . Ic h mu ß e s wissen , wenn di e Wahrhei t an s Lich t kommt.«
»Wi r stehe n kur z vo r de r Explosion , Madame. « Di e Fra u nickte mi t unveränderte m Ausdruck . Dami t hatt e de r Polizis t nicht gerechnet : dies e Gelassenheit , diese s Lächeln , dies e tröstliche Stimme . E r zo g sein e Waff e un d schämt e sic h zugleich , da ß e r die Fra u bedrohte.
»Madame« , sagt e e r leise . »Ic h hab e nu r seh r weni g Zeit . Ic h muß Foto s vo n Judit h sehen , Ihre r Tochter.«
»Foto s vo n …«
»Bitte . Sei t meh r al s zwanzi g Stunde n such e ic h Sie . Sei t meh r als zwanzi g Stunde n verfolg e ic h Ihr e Geschicht e un d versuche , zu begreifen , waru m Si e diese s Komplot t angezettel t haben , waru m Sie da s Gesich t Ihre s Kinde s vergesse n mache n wollten.
I m Momen t wei ß ic h nu r zweierlei : Judit h wa r nich t entstellt , wie ic h zunächs t vermute t habe , sondern , i m Gegenteil , offenba r von erschreckende r Schönheit . Un d zweiten s wei ß ich , da ß ih r Gesicht trotzde m di e Spure n eine s Alptraum s verriet . Ei n Alptraum , de r Sie vo r lange r Zei t zu r Fluch t veranlaß t ha t un d de r wi e ei n schlafender Vulka n au f einma l wiede r ausgebroche n ist . Als o zeige n Si e mi r bitte di e Foto s un d erzähle n Si e mi r di e Geschichte . Ic h wil l alle s wissen, Daten , Einzelheiten , Erklärungen . Ic h wil l verstehen , wi e un d warum ei n Mädchen , da s angeblic h vo r vierzeh n Jahre n gestorbe n ist , in eine r Universitätsstad t a m Fu ß de r Alpe n ei n Massake r veranstaltet.« Ein e Weil e verharrt e di e Fra u reglos , dan n gin g si e mi t ihren energische n Schritte n au s de m Zimme r durc h eine n Flur , Karim folgt e ihr , di e Waff e i n de r Hand . E r sa h sic h um , erblickt e weitere Zimme r mi t weitere n Möbelschoner n i n andere n Farbe n un d fand diese s Hau s ei n Zwischendin g zwische n Wäschere i un d Karneval.
Fabienn e Héraul t betra t ein e Kammer , öffnet e eine n Schran k und nah m ein e klein e eisern e Truh e heraus . Kari m hiel t ihr e Han d fest un d öffnet e di e Truh e selbst . Fotografien . Nicht s al s Fotos.
Di e Fra u war f ih m eine n fragende n Blic k zu , dan n taucht e si e die Han d hinei n wi e i n ein e Schal e mi t Wasse r un d war f di e Fotos durcheinander . Schließlic h fan d sie , wa s si e gesuch t hatte , und reicht e de m Poliziste n ei n Bild . E r lächelt e wide r Willen.
Ei n kleine s Mädche n mi t ovale m Gesich t sa h ih n an , mi t dunklem Tein t un d mi t kurzgeschnittene n braune n Locken . Tiefe Augenhöhlen , au s dene n auffallen d hell e Auge n leuchteten, überschatte t vo n langen , fas t z u dichte n Brauen . Diese r leicht männlich e Anflu g stan d i n scharfe m Kontras t z u de m strahlenden Bla u de r Augen.
Kari m betrachtet e da s Bil d un d hatt e da s Gefühl , diese s Gesicht scho n lang e z u kennen , sei t jeher . Doc h da s ersehnt e Wunde r fand nich t statt . S o seh r hatt e e r gehofft , dies e Züg e würde n ihm weiterhelfen , ih m eine n We g weisen.
Mi t ihre r warme n Stimm e flüstert e Fabienne : »Diese s Fot o is t ein paa r Tag e vo r ihre m To d entstanden . I n Sarzac . Si e hatt e kurze Haare , wi r …«
Kari m schaut e auf . »Da s paß t alle s nicht . Diese s Bild , dieses Gesich t müßt e mi r eigentlic h eine n Hinweis , ein e Erklärun g liefern. Abe r ic h seh e nu r ei n hübsche s kleine s Mädchen.«
»Wei l da s Fot o unvollständi g ist« , sagt e sie , kramt e i n de r Truhe un d reicht e ih m eine n weitere n Abzug . »Sehe n Sie , da s is t da s letzte Klassenfot o au s Guernon . Ecol e Lamartine , zweit e Klasse . Kurz bevo r wi r nac h Sarza c gezoge n sind. « Kari m betrachtet e die lächelnde n
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