Die Qualen der Sophora
Wendy und Ash auf ihr Glück
anstoßen. Gratuliert hatte sie ja schon, doch sie konnte eigentlich nicht oft
genug sagen, wie sehr sie sich über diese Verbindung freute.
Ob sie allerdings mit Wendy Großvater warm werden würde, stand auf einem anderen
Blatt. Seine Musterung war ihr schon recht impertinent vorgekommen. Sie war
aber unter harten Männern groß geworden, so dass sie nicht das geringste
Unbehagen gezeigt hatte.
Valeriu und seine Mannen hatten sich einen Spaß daraus gemacht, andere Jäger,
die das elterliche Schloss besuchten, mit ihren Fähigkeiten zu verblüffen. Sie
hatte zur abendlichen Unterhaltung die Ehrengäste zum Kampf herausfordern
müssen und die Feier meist in ihrem Zimmer beim Verbinden ihrer Blessuren
verbracht, nachdem sie als Sieger hervorgegangen war. Einmal war ihr Gesicht so
grün und blau geschlagen und so zugeschwollen gewesen, dass sie sich kaum mehr
selbst im Spiegel erkannt hatte. Sie war ja immer noch ein Mädchen gewesen, das
gegen viel stärkere Gegner angetreten war. Fliegen- gegen Schwergewicht. David
gegen Goliath… Cat konnte also Astyanax’ Blick unerschrocken erwidern.
Dem kleinen Vorkommnis mit Wendys ehemaliger
Vorgesetzten maß sie nicht allzu viel Bedeutung zu. Die Vorwürfe der Frau
hatten ihr nicht gefallen. Wendy war ja nicht in Urlaub gefahren, sie war einem
höheren Ruf gefolgt. Außerdem hätte sie Nathans Tochter nicht daran erinnern
müssen, dass sie ihr das Leben verdankte. Diese kleine Gefälligkeit war mit
ihrer zweiten Rettung durch Ash vollkommen nichtig geworden. Sie hätte viel zu
tun, wenn sie von allen Geretteten zu Familienfeierlichkeiten eingeladen werden
würde… Nun ja, gab es eben noch einen Gast mehr, Platz genug war schließlich
vorhanden.
Nico erwartete in ihrem Zimmer eine Überraschung, die
sie allerdings nicht zum Lächeln brachte. Sie hatte gedacht, sie könnte
aufgrund mangelnder Garderobe auf ein Erscheinen bei der Hochzeitsfeierlichkeit
verzichten. Das letzte Kleid war schließlich den Flammen zum Opfer gefallen und
sie hatte sich nicht Neues besorgt bis auf diesen Overall, den sie zu diesem
Anlass kaum anziehen konnte. Am liebsten wäre sie in ihrem Ornat geblieben, der
ihr den größten Schutz vor Blicken bot, doch es gab wohl kein Entkommen.
Besonders nicht vor Awendelas einschüchterndem Großvater. Nico hatte seine
Geringschätzung deutlich gespürt, wie hätte es auch anders sein können, da sie
ja das schwächste Glied in der Kette war.
Also zog sie das von Cat ausgesuchte Kleid mit einem
lustlosen Seufzen an. Es war aus rostrotem Crêpe Georgette mit weit schwingendem
Rock, der ihre Knie umspielte und von einem Tüllunterrock aufgebauscht wurde.
Es wirkte sehr mädchenhaft, was durch die Frisur betont wurde, die eine der
Lost Souls in ihre sonst unbändigen Locken zauberte. Es wirkte wie eine Frisur
aus den Roaring Twenties und eine weiche Welle wurde mit einer goldenen
Klammer, die wie ein Schmetterling geformt war, von der Stirn weg gehalten.
Unten angekommen wurde ihr die Tür geöffnet, ohne sie
anzukündigen, so dass sie den Raum unbemerkt betreten konnte. Sie wollte nicht
hier sein, aber es gab kein Entrinnen. Das Brautpaar hatte sie bereits
beglückwünscht und sie waren sowieso gerade von einer Schar fröhlicher
Gratulanten umringt. Nico suchte sich ein stilles Plätzchen an einem der großen
Fenster aus, wo sie so tat, als wäre sie vom Ausblick auf die riesige
Parkanlage fasziniert. So bemerkte sie nicht, wie die beiden fehlenden Gäste
den Raum betraten, weil ihre Aufmerksamkeit von dem riesigen Hund abgelenkt
wurde, der seinen Kopf unter ihre linke Hand schob. Nico kraulte das Tier
gedankenverloren. Es war nicht das erste Mal, dass ein Tier sich zu ihr
hingezogen fühlte. Das Auftauchen der anderen Tri’Ora würde jedenfalls für
Ablenkung sorgen. Sie war eine sehr einnehmende Persönlichkeit, hinter deren
Schatten sie sich gut verstecken konnte.
Romy hatte länger zum Umziehen gebraucht, als sie
erwartet hatte, das lag aber nicht daran, dass sie so lange zum Zurechtmachen
gebraucht hätte. Sie hatte sich eine Viertelstunde lang regelrecht geweigert,
in das bereit liegende Kleid zu steigen, dessen Anblick ihr einen Schock
verpasst hatte, als sie es ausgebreitet auf dem Bett liegen sah. Es war nämlich
nicht das Kleid, das sie sich ausgesucht hatte!
Ich bringe Cat um!
Vor Dovies gutem Zureden gab es allerdings kein
Entrinnen, die bestand darauf, dass Romy das Kleid anzog, worunter sie sehr
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