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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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warnten, falls die Brüder des Erschlagenen doch noch einmal kamen und an ihm Blutrache üben wollten, ehe er die Hörner des Altars erreichen konnte; wo er auch in Makor war, suchte er sich stets den kürzesten Weg zum Tempel, um so schnell wie möglich in das Heiligtum fliehen zu können. Im vierten Jahr der Arbeit am Stollen, im Monat Ziv, als die Disteln in den Tälern und die gelben Tulpen an den Rändern der Sümpfe blühten, als die Störche nach Norden geflogen waren und die Bienenfresser über dem roten Mohn dahinschossen, gingen Wiedehopf und Meschab in den Steinbruch auf der Nordseite des Berges und suchten sich mächtige Steine aus, aus denen sie sechs Stücke von neun Armlängen schneiden und viereckig zuhauen ließen wie Balken für den Bau eines großen Tempels. Der unterirdische Gang war nun fertig. Nur eine letzte Vorsichtsmaßnahme hatte Wiedehopf jetzt noch zu treffen: den Brunnen so tief unter Steinmassen zu verbergen, daß kein Feind ihn finden oder ausgraben konnte. Und dafür brauchte er die sechs riesigen Steinsäulen. Während eine Kolonne von Sklaven den Gang säuberte und den letzten Schutt durch den Brunnenschacht heraufzog, schickte er eine zweite hinaus zum Steinbruch. Von dort wurden die Steinblöcke auf Kufen herangeschafft, die über Baumstämme rollten. Jetzt ließ Wiedehopf die Sklaven eine tiefe Grube ausheben, die über den Brunnenschacht nordwärts verlief; als sie tief genug ausgehoben war, wurden drei der großen Steine in sie versenkt, so daß sie wie ein enger Rost über dem Brunnen lagen. Auf sie häufte man Steine vom bereits abgebrochenen Teil der Wassermauer, darüber Geröll und Erde, bis alles bedeckt war. Im Anschluß daran wurde die Grube nach Westen und Osten hin so verbreitert, daß sie die übrigen drei großen Felsstücke aufnehmen konnte, die nun wie ein zweiter Rost, quer zum ersten, über dem Brunnen lagen. Auch das wurde mit Steinen und Erde aufgefüllt, bis der ganze Schacht verschwunden war.
    »Und jetzt wird die Wassermauer abgebrochen«, befahl Wiedehopf. Die Sklaven machten sich mit Vergnügen über die Mauer her und rissen sie ein; die Steine dienten zum Bau neuer Häuser. An einem strahlenden Tag, als die Hügel rings um die Stadt mit Gänseblümchen bedeckt waren, kletterten Wiedehopf und Meschab auf den Berg, um zu prüfen, ob sie irgend etwas vergessen hatten, das die Existenz des Brunnens einem Belagerer verraten könne.
    »Man kann noch zu deutlich sehen, wo die alte Wassermauer verlief«, sagte Wiedehopf besorgt.
    »Gras und Unkraut werden bald das ihre tun«, erwiderte Meschab. »Aber etwas anderes würde mir das Geheimnis verraten. Siehst du’s?«
    Wiedehopf sah auf die Fahnen. »Wir nehmen sie noch heute abend ab.«
    »Ich meine nicht die Fahnen. Ich meine die Mörtelspuren an der Mauer. Sie zeigen deutlich, daß hier einmal etwas angebaut war.«
    »Selbstverständlich!« stimmte Wiedehopf zu. Sie waren auffällig genug, wie ein Signal, die dunklen Steine, die bisher von der Wassermauer bedeckt gewesen waren, während die Sonne die ganze übrige Mauer ausgebleicht hatte. Diese beiden verräterischen Stellen mußten verschwinden. Der Moabiter fand die Lösung. »Wir könnten dort einen kleinen Turm bauen, der dann das Nordtor auch wirklich beschützt.«
    »Das ist das Richtige«, meinte Wiedehopf und bat Meschab, noch die kurze Zeit bis zur Fertigstellung dieses Turms zu bleiben.
    Als Kerith hörte, daß Meschab nun bald Abschied nehmen wollte, weinte sie und küßte ihn in Gerschoms Beisein. »Bleib noch eine Weile bei uns«, bat sie ihn, und zu Wiedehopf und Gerschom sagte sie: »In einer dunklen Zeit meines Lebens war er mir mehr als ein Bruder.« So gab Meschab wider seinen eigenen Willen nach und baute den Turm neben dem alten Brunnentor.
    Die Arbeit schritt gut voran. Da brachte eines Morgens Wiedehopf vom Statthalter die Nachricht, auf die seine Frau drei Jahre gewartet hatte: König David komme endlich von Sunem nach Norden, um den unterirdischen Gang zu besichtigen und ihn als »Davids Stollen« einzuweihen. Als Kerith das hörte, ging sie in ihr Zimmer und betete: »Jahwe, Du allein bringst ihn hierher in diese Mauern, Du allein bringst uns in Deine Stadt Jerusalem.«
    Am Ende des Monats Ziv erschienen Berittene am Stadttor und meldeten dem Statthalter, König David nähere sich auf der Straße nach Damaskus. Trompeten schmetterten, die Priester im Tempel bliesen die Widderhörner. Alle Bürger Makors standen auf der Stadtmauer oder

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