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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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Wellens nickte, als Benn zuletzt mehrere Pakete mit Mineralwasserflaschen umpackte.
    »Sie aber auch«, erwiderte Benn, der mehrere Benzinkanister im Kofferraum des Botschaftswagens bemerkte.
    »Dafür bin ich sogar zum Dieb geworden«, sagte Wellens beim Einsteigen leichthin. »Ich habe aus allen Botschaftsfahrzeugen die letzten Tankreserven abgezapft. Der Botschafter wird laufen müssen.«
    Wellens steuerte den Austauschwagen durch die leeren Pariser Straßen. Alle Geschäfte waren geschlossen und wirkten mit den heruntergelassenen Rollläden und Sicherheitsgittern wie im Belagerungszustand. Hinter den Glasfassaden dämmerten dunkle Höhlen, wo sonst künstliches Licht lockte, die Auslagen präsentierte und zum Kauf verführte.
    Vor einem Internetcafé sah er eine Traube von Menschen.
    »Was machen die da?«, fragte Benn.
    Wellens sah kaum hin.
    »Schwarzhändler. Geladene Akkus sind der Renner - bei vielen Jugendlichen sowieso. Kein Strom heißt: kein Fernsehen, kein Internet, aber genügend Zeit. Doch was nutzen einem die vielen Computerspiele, wenn die Akkus nach wenigen Stunden schlappmachen? Es gibt findige Leute, die nutzen den verbliebenen Dieselsprit dazu, um mit Notstromaggregaten und Ladestationen Akkus aufzuladen. Die Gewinnspannen steigen von Stunde zu Stunde.«
    Benns Blick wanderte an den Häusern empor. Ohne die künstlichen Sonnen der Lichtwerbung wirkte das Grau der Fassaden erdrückend auf ihn. Das Licht eines trüben Tages war kein Ersatz.
    Benn spürte plötzlich eine Gänsehaut auf den Unterarmen. So abhängig war seine Welt also mittlerweile von der Grunderfindung Edisons, seit dieser am Ende des neunzehnten Jahrhunderts die ersten beiden Blocks in New York vollständig elektrifiziert hatte, indem er zwei von ihm entwickelte Generatoren zur Stromerzeugung im Keller eines Hauses in der Pearl Street aufgebaut hatte.
    Nichts ging ohne Strom.
    Sie hingen an der Nadel, schlimmer als ein Heroinsüchtiger.
    Dass der Stoff auch ausbleiben konnte, darüber sagte niemand etwas. Hagen hatte zwar angedeutet, dass die Experten seit geraumer Zeit von Versorgungsengpässen wussten, aber bisher war es ja immer gut gegangen.
    »Manche Leute warnen seit Jahren. Aber niemand will darüber reden. Weil man keine Lösung für den Fall der Fälle hat«, hatte Hagen gesagt. »Niemand ist darauf vorbereitet. Auch wenn es täglich passieren kann.«
    Und nun war es passiert. Edisons Segen zeigte erstmals seine dunkle Seite mit voller Wucht. Benn schüttelte stumm den Kopf.
    »Sie wirken so nachdenklich«, sagte Wellens, der Benns Kopfschütteln bemerkt hatte.
    »Ich habe gerade über unsere Abhängigkeit nachgedacht. Was macht diese IEA?«, fragte Benn. Er war gierig nach jeder Information, die er bekommen konnte. Er wollte Zusammenhänge verstehen, die Verbindungen zur Internationalen Energieagentur begreifen. Ihre Bedeutung und Verbindung zu den Projekten, von denen Hagen gesprochen hatte, war ihm noch immer unklar, und er versuchte, seine Ungewissheit zu bekämpfen. Was war, wenn er auf das falsche Pferd gesetzt hatte?
    »Die Internationale Energieagentur ist die Institution zur Erforschung und Entwicklung von neuen Energietechnologien. Die gehören zur OECD, diesem Zusammenschluss der führenden Wirtschaftsnationen. Die IEA weiß alles über Energie. Was immer die sagen, übertrifft den Status der Bibel. Wenn es heißt, der Ölpreis steigt, dann steigt er garantiert. Allein schon deshalb, weil sie es gesagt haben.«
    Benn nickte und richtete den Blick geradeaus. Er gab es schon bald auf, ihre Fahrroute zu verfolgen. Die Straßen der Pariser Innenstadt waren ein so seltsames Schauspiel, das ihn völlig gefangen nahm.
    Er sah nur wenige Autos. Dafür waren Menschen mit Fahrrädern, Skateboards, Inlinern, Cityrollern und zu Fuß unterwegs. Er sah zwei Kutschen mit Pferdegespannen und unendlich viele Doppelstreifen in Polizeiuniform. Manche der Polizisten trugen selbst Inliner oder hatten Cityroller bei sich.
    »Ich fasse es nicht«, sagte Benn. »Inliner und Roller. Gehören die in Paris zur Standardausrüstung der Polizei?«
    Wellens kicherte. »Die Polizei hat gestern praktisch in allen Sportgeschäften die vorhandenen Bestände abholen lassen. Wirkt komisch, zugegeben, aber ist schneller als Gehen.«
    An Kreuzungen und öffentlichen Plätzen waren Militärfahrzeuge postiert. Rauchende Soldaten mit Waffen standen wartend herum.
    »Das erinnert ja fast an eine Belagerung«, murmelte Benn. Überall türmten sich

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