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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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und die Hoffnung wiederherstellen, von der wir glauben, sie für immer verloren zu haben.

33.
    J ulian Zivera saß am Kopf eines eleganten Esstisches. Die kühle Meeresbrise strömte durch die geöffneten Balkontüren, deren Vorhänge zugezogen waren, während die letzten Strahlen der Sommersonne über dem Meer erloschen und den Abendhimmel rosa färbten. Vor Zivera stand eine Mahlzeit – gebratene Ente auf frischem Gemüse –, und in der Hand hielt er ein Kristallglas voll Champagner. »Cent’anni! Mögen Sie hundert Jahre alt werden«, tönte Julian.
    Stephen Kelley war der einzige Gast bei diesem Abendessen. Er saß am anderen Ende des Tisches. Stephen trug das weiße Baumwolloberhemd und die Jeans, die sein Gastgeber ihm zur Verfügung gestellt hatte. Sein Essen hatte er nicht angerührt, sein Glas stand vor ihm auf dem Tisch, und seine Hände lagen in seinem Schoß. Er war ein unfreiwilliger Gast, doch da ihn drei von Ziveras Bodyguards zum Abendessen »eskortiert« hatten, war ihm keine Wahl geblieben. Vielleicht konnte er diese Zeit zumindest nutzen, um seinen Kidnapper etwas besser verstehen zu lernen, wenn er schon seine Gesellschaft nicht genießen konnte.
    »Ihr Sohn wird bald hier sein mit dem, was ich brauche«, meinte Julian, als wäre Michael ein Botenjunge, den man losgeschickt hatte, Besorgungen zu machen.
    Stephen sah sich in dem gediegen eingerichteten Raum um, schaute auf die Dienstboten, die abrufbereit in der Ecke standen in Erwartung der Befehle ihres Herrn, und blickte schließlich auf die Rembrandts, die Chagalls und auf die Marmorstatuen, die von Meisterhand geschaffen worden waren. Dieser Raum enthielt Reichtümer, die größer waren, als ein Normalsterblicher sie sich erträumen konnte. »Sie besitzen unvergleichlich kostbare Dinge. Was brauchen Sie da überhaupt noch?«
    »Es gibt ein paar Dinge, die man mit allen Reichtümern dieser Welt nicht kaufen kann.«
    »Zum Beispiel?«
    Julian antwortete nicht sofort und ließ den Champagner in seinem Glas kreisen. »Es liegt in der Natur des Menschen«, sagte er schließlich, »sein Leben lang Reichtümern, Macht und Ruhm nachzujagen. Aber wenn er auf dem Totenbett liegt, würde er alles wieder hergeben, wenn er dafür nur noch ein Jahr länger leben könnte. Dafür würde er auf die letzte Zigarette verzichten, auf den letzten Teller voller Köstlichkeiten. Denn nichts ist kostbarer als das Leben. Leider werden die meisten Leute sich dieser Tatsache erst bewusst, wenn es zu spät ist.«
    Für einen kurzen Moment irrte Julians Blick umher; dann konzentrierte er sich wieder auf die Unterhaltung. »Wenn Sie in der Lage wären, ein Heilmittel gegen Krebs zu finden, wenn Sie in der Lage wären, einem anderen Menschen fünfzig weitere Jahre Leben zu schenken – würden Sie es tun? Sagen Sie nicht, Sie hätten nicht versucht, Ihre Ehefrauen und Ihren Sohn vor dem Tod zu bewahren.«
    Stephen starrte Zivera an. Er war sich nicht sicher, wie der Mann diese intimen Details über sein Leben in Erfahrung gebracht hatte.
    »Das ewige Leben ist der größte Wunsch fast aller Menschen«, fuhr Julian fort. »Alle Religionen basieren auf einem Leben nach dem Tod. Alle bieten die Verheißung, ewig zu leben. Viele predigen sogar, dass man den irdischen Freuden entsagen müsse, um das ewige Leben zu erlangen. Doch gleichgültig, woran man glaubt – solange der Mensch lebt, sucht er nach einer Möglichkeit, seine Zeit auf Erden zu verlängern. Wir verändern unsere Ernährung, schlucken Vitamine, treiben Sport – alles, um gesund zu bleiben, gut auszusehen und länger zu leben. Was, wenn der Mensch das schaffen würde? Wenn wir endlich in der Lage wären, tatsächlich länger zu leben?«
    »Gibt es auf diese Frage wirklich eine Antwort?«, wollte Stephen wissen, ergab sich endlich seinem Hunger und machte sich über die Ente her.
    Julian griff nach einer Flasche 78er Montrachet, schenkte sich ein Glas ein und lehnte sich zurück. »Seit Anbeginn der Geschichte hat der Mensch nach Antworten auf das Unlösbare gesucht. Sein Verständnis für die Welt, die ihn umgibt, verändert sich in großen zeitlichen Abständen, in frühen Zeiten alle fünfhundert Jahre und mehr. Die klassische Antike, die Renaissance, die industrielle Revolution, das Atomzeitalter. Alle unvorstellbar, unerreichbar – und es gab sie doch .
    »Es gibt einen Zeitpunkt dafür, dass der Mensch gewisse Wahrheiten durchblickt. Im sechzehnten Jahrhundert war die Geburtsstunde der modernen

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