Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
öffnete die Flasche und nahm einen tiefen Schluck, bevor er sich wieder den drei Augenpaaren zuwandte, die auf ihm ruhten. »Sein Name ist Ilja Raechen, ein ehemaliger KGB-Mann.« Fetisow fixierte Michael mit seinem guten Auge. »Er hat Genevieve entführt. Raechen ist der gefährlichste Mann, den ich kenne.«
»Wie weit wurde der Zeitplan vorgezogen?«, fragte Michael und versuchte, sich wieder zu konzentrieren.
»Auf sieben Uhr morgen früh.«
»Sieben Uhr? Das lässt uns nicht genug Zeit«, erwiderte Michael verängstigt. »Ich habe fünf Stunden einkalkuliert, um die Schatulle zu beschaffen, und weitere fünf Stunden für Genevieves Befreiung.«
»Haben wir denn kein bisschen Spielraum?«, fragte Busch.
»Der Zeitrahmen, den ich berechnet habe, lässt uns ein bisschen Raum für unvorhergesehene Zwischenfälle. Wir wissen schließlich nicht, was uns erwartet, wenn wir nach der Schatulle tauchen. Du weißt so gut wie ich, dass bereits der Tauchgang, um zur Kammer zu gelangen, höllisch riskant ist.«
»Was, wenn wir uns Genevieve zuerst holen?«, hielt Busch dagegen.
»Wenn wir uns zuerst Genevieve schnappen, bleibt uns nicht mehr die Zeit, die Schatulle zu holen und abzuhauen, ohne der halben russischen Armee in die Arme zu rennen. Dann wird mein Vater sterben. Aber wenn wir zuerst die Schatulle stehlen, schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig in den Operationssaal, und Genevieve …« Michael spürte, wie sein Plan zusammenstürzte wie ein Kartenhaus. »Wir würden es nie schaffen.«
Fetisow sagte nichts und ging zum Fenster.
Busch setzte sich auf die Couch. »Wenn wir jetzt losgehen …«
»Nein.« Michael schüttelte den Kopf. »Acht Stunden reichen nicht.«
»Und wenn ihr beide Jobs zeitgleich durchzieht?«, fragte Susan. »Dann hättet ihr genug Zeit.«
»Unmöglich. Ich kann nicht alleine tauchen, und wir brauchen zwei Leute, um Genevieve rauszuholen. Ich kann nicht an zwei Stellen zugleich sein.«
»Das brauchen Sie auch nicht. Fetisow und Paul holen Genevieve.« Susan stockte. »Und Sie und ich, wir holen uns die Schatulle.«
»Auf gar keinen Fall.« Michael ging auf und ab und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er starrte aus dem Fenster. Die Skyline des Kremls schien ihn zu verhöhnen.
»Wir könnten uns jetzt auf den Weg machen und hätten damit die Zeit, die wir brauchen«, sagte Susan.
Michael blickte sie an, als hätte er eine Verrückte vor sich. »Würden Sie mich in einen Gerichtssaal schicken und von mir erwarten, dass ich jemanden verteidige?« Michael wartete nicht auf ihre Antwort. »Nein, weil es mir dazu an Ausbildung fehlt, und an der Erfahrung, die man braucht.«
»Das ist etwas anderes.«
»Nein, ist es nicht«, erwiderte Michael. »Und in einem Gerichtssaal wäre mein Risiko, ums Leben zu kommen, ein bisschen kleiner.«
»Ich kann besser tauchen und schwimmen, als Sie es jemals lernen könnten. Steigen Sie also endlich herunter von Ihrem hohen Ross, und nehmen Sie meine Hilfe an.« Susan blickte Fetisow an. »Richtig? Sie könnten doch mit Paul gehen, oder?«
Fetisow antwortete nicht, sondern blickte weiter aus dem Fenster.
Susan drehte sich wieder zu Michael und sah ihn mit flehendem Blick an. »Wenn Sie das nicht auf die Reihe kriegen, wird Stephen sterben!«
Susans Worte klangen Michael in den Ohren. Er wusste, dass es keine Möglichkeit gab, seinen Vater zu retten, wenn er die Schatulle und Genevieve nicht holte. Ohne sie hatte er nichts einzutauschen.
»Wir könnten es hinkriegen«, sagte Fetisow. »Für meine Nichte.«
Busch erhob sich, ging zu Michael und zog ihn zur Seite. »So sehr sich auch alles in mir dagegen sträubt, es zuzugeben, aber sie hat recht.«
»Nein, sie …«
»Michael, er ist dein Vater. Du hast nur diesen einen Versuch. Und Genevieve werden sie in weniger als acht Stunden aufschlitzen.« Busch blickte auf seinen Freund hinunter und redete mit leiser Stimme auf ihn ein. »Jede Sekunde, die wir hier weiter zögern, ist gefährlich. Ich sehe keinen anderen Weg.«
Als Michael dastand und seine Hoffnung schwand, seinen Vater jemals lebend wiederzusehen, wog das Foto, das seine Eltern zeigte, schwer wie Blei in seiner Tasche. Und was ihn schließlich überredete, waren Marys Worte in ihrem Brief:
Gehe der Sache nach, Michael. Suche nach deinen Eltern. Es ist meine letzte Bitte an dich. Ich will nicht, dass du allein bist auf dieser Welt. Erst die Familie macht uns zu vollständigen Menschen. Sie kann die Leere in unserem Inneren füllen
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