Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Zeichnung zeigte die Gebäude, die über der Erde standen, von denen die meisten noch existierten. Eine Ecke der Karte zeigte die Skizze einer goldenen Schatulle, mit einer Reihe russischer Anmerkungen versehen. Michael studierte das kunstvolle Kästchen und prägte sich ein, wie es aussah. Die Detailarbeit war enorm, die Darstellung auf dem Deckel von grandioser Einfachheit. Ein Symbol von Eleganz, von Leben – nicht das, was er erwartet hatte. Nichts, was irgendjemand erwarten würde.
Und am unteren Rand der Karte – in den untersten Ebenen dessen, was sie zeigte – waren unweit eines unterirdischen Flusses drei gewaltige Gewölbe abgebildet, riesige Räume mit jeweils einem Zugang, über den ein bedrohlicher Totenkopf gemalt war. Michael brauchte nicht Russisch oder Latein lesen zu können. Ihm war auch so klar, was da abgebildet war und wohin er würde gehen müssen, wollte er die Schatulle finden, die er brauchte, um sie gegen seinen Vater einzutauschen.
Die Schatulle bedeutete für Stephen Kelley Leben oder Tod.
»Was wirst du tun?«, fragte Busch und wedelte dabei mit dem Brief, den Genevieve Stephen Kelley geschrieben hatte.
Michael hatte sich nicht von der Couch gerührt, seit er die Dokumente über den Kreml gelesen und die Landkarte studiert hatte, die Genevieve ihm überlassen hatte. Er hatte durch die Akten geblättert, war über deren Inhalt erstaunt gewesen und darüber, wie umfangreich sie waren. Nun versuchte er zu verdauen, was da vor ihm lag.
»Hörst du mich?«, fragte Busch.
»Du hast den Brief doch selbst gelesen. Was meinst du?«, gab Michael zurück.
»Ich weiß nicht, aber mir kommt das alles so vor, als würde es ein bisschen zu zufällig zusammenpassen«, erwiderte Busch, und in seiner Stimme lag Skepsis. »Der Kreml? Das packst du nicht.«
»Ich weiß nicht. Auf keinen Fall werden wir zulassen, dass Susan diese Karte hier sieht.«
Busch faltete die Karte und das Gemälde zusammen und legte beides zurück in die Kassette. »Er ist dein Vater, Michael. Was wirst du tun?«
»Mein Vater ist tot«, erwiderte Michael. »Und meine Mutter ebenfalls. Vielleicht fließt Kelleys Blut in meinen Adern, aber er ist nicht der Mann, der mich großgezogen hat. An dem Tag, an dem er mich weggegeben hat, hat er das Recht verloren, mich seinen Sohn zu nennen.«
»Das ist kaltherzig. Vergiss nicht, dass du hergekommen bist, weil du nach ihm gesucht hast. Das hört sich für mich so an, als würden Schuldgefühle aus dir sprechen. Als würde da jemand versuchen, eine Mauer ums Herz herum zu bauen, damit er sich vor seiner Verantwortung drücken kann.« Busch beugte sich zu Michael vor. »Ich dachte, du wolltest ihn finden.«
»Das dachte ich auch, aber vielleicht …« Michael konnte Marys Brief in seiner Hosentasche spüren. »Vielleicht habe ich es aus dem verkehrten Grund getan. Ich glaube nicht, dass er gefunden werden wollte.«
»Stephen ist ein guter Mensch.«
Michael drehte den Kopf und sah Susan, die soeben das Zimmer betrat.
»Er hat das nicht verdient«, sagte Susan. »Wenn Sie ihn kennen würden …«
»Ich kenne ihn aber nicht. Und ich weiß nicht, ob er mich jemals kennenlernen wollte. Er schien zu wissen, wer ich bin, hat aber nie nach mir gesucht.« Michael schüttelte den Kopf. »Sein einziges Interesse an mir besteht darin, dass ich ihn rette.«
Susan starrte Michael an und versuchte, ihre Wut im Zaum zu halten. »Kommen Sie mit.«
Michael blickte zu Busch; dann schaute er Susan wieder an. Schließlich stand er auf und folgte ihr aus dem Salon durch die Halle und die breite Treppe hinauf. Sie liefen an atemberaubenden Fotos von Flüssen und Gebirgsketten, wilden Tieren und geschäftigen Großstädten vorüber. Es war eine Bildergalerie, die ebenso lang wie die Treppe hoch war und die sich im Flur im Obergeschoss fortsetzte.
»Er ist ein guter Mensch, Michael.«
»Da bin ich sicher. Aber mehr als dreißig Jahre sind eine verdammt lange Zeit, sein eigen Fleisch und Blut zu ignorieren. Wohin gehen wir?«
Susan führte ihn durch Stephens elegantes Schlafzimmer, hinein in den begehbaren Kleiderschrank und vor einen großen, breiten Spiegel. »Wenn ich Sie nicht überzeugen kann«, sie zog den Spiegel zur Seite, der von der Decke bis zum Boden reichte, und öffnete die schwere Tür zum Panikraum, »vielleicht kann er es ja.«
Susan ging in den Raum hinein, zog zwei Schubladen eines Wandschranks auf, drehte sich um, ging wieder hinaus und ließ Michael allein, der in den
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