Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
starb.« Endlich sah Busch sie wieder an; er spitzte die Lippen, wartete einen Moment, machte sich dann auf den Weg in den vorderen Teil der Maschine und überließ Susan ihren Gedanken.
»Bist du sicher, dass ich dir nichts holen soll?«, fragte er Michael.
Michael schaute auf die Sandwiches in Buschs Hand. »Nein, ich habe alles, was ich brauche. Worüber hast du dich mit der Eiskönigin unterhalten?«
»Ach, bloß über das Wetter«, erwiderte Busch, setzte sich in seinen Ledersessel und war glücklich darüber, dass jemand einen Flugzeugsitz konzipiert hatte, der in der Lage war, seinen Körper so bequem aufzunehmen. Er stellte seinen Drink in den Becherhalter, der in die Armlehne eingebaut war, und aß die Sandwiches.
»Ich wette, dass sie es am liebsten mag, wenn es kalt ist und regnet«, meinte Michael.
Busch drehte den Kopf und schaute zu Susan. »Ich weiß nicht. Manchmal haben die Leute, die am lautesten schreien, die meiste Angst. Sie verstecken sich hinter einer Fassade aus Stahl und Wut.«
Michael zog die Brauen hoch. »Was bist du plötzlich so mitfühlend?«
»Bin ich gar nicht, ich habe einfach nur so meine Erfahrungen.« Busch sah Michael an, bis sein Freund begriff, worauf er anspielte. Dann lehnte er seinen Ledersitz so weit zurück, wie es möglich war, und war eingeschlafen, bevor Michael eine Chance bekam, ihn zu fragen, wer sich denn jetzt zu Hause um seine Bar kümmerte.
Susan setzte sich in den Ledersessel neben Michael. »Kann ich Ihnen etwas holen?«
»Nein, vielen Dank«, erwiderte Michael und sah dabei aus dem runden Fenster auf die Weite des Ozeans.
»Wir landen in ungefähr acht Stunden.«
»Wie spät ist es jetzt?«, fragte Michael.
»Das weiß ich nicht.«
Michael schaute auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Es war eine Patek Philippe; das zerkratzte Blatt war rundum mit kleinen Brillanten besetzt.
»Die läuft nicht mehr«, sagte sie, als ihr auffiel, worauf sein Blick gerichtet war.
»Aha«, antwortete Michael. »Und Sie tragen sie, weil …«
»Sie bringt mir Glück. Peter hat sie mir kurz vor unserer Hochzeit geschenkt. Seitdem habe ich nie wieder einen Fall verloren.« Susan schaute auf ihre Uhr. Michael konnte sehen, wie sie gegen ihre Gefühle ankämpfte. »Nicht einmal, nachdem sie endgültig stehen geblieben ist.« Plötzlich war sie wieder munter. »Laut Flugplan landen wir gegen sechs Uhr morgens.«
»Danke.«
»Hören Sie, ich wollte mit Ihnen reden.« Susans Stimme klang so gedämpft, als säße sie im Beichtstuhl. »Es tut mir leid, was ich zu Ihnen gesagt habe.«
Michael legte den Kopf zur Seite. »Was meinen Sie?«
»Dass ich gesagt habe, Sie wüssten nicht, was es bedeutet, jemanden zu verlieren. Ich hatte ja keine Ahnung.«
Michael schaute auf den schlafenden Busch und wusste plötzlich, worüber sein Freund sich mit Susan in der Bordküche unterhalten hatte.
»Wie lange waren Sie verheiratet?«
Michael drehte den Kopf weg. Er wollte diese Frage nicht beantworten. Er sprach nur äußerst selten über Mary, eigentlich nur mit den Buschs und mit Genevieve, doch wurde ihm klar, dass er sich die nächsten acht Stunden nirgends vor Susan verstecken konnte, und so blickte er sie wieder an, wenn auch widerwillig.
»Wir waren fast sieben Jahre verheiratet.«
Susan bedachte ihn mit einem respektvollen Blick.
»Sie war meine beste Freundin.« Michael wusste nicht, warum er weitersprach und erst recht nicht, weshalb er das einer Frau erzählte, die ihm im Verlauf der letzten fünf Stunden zweimal eine runtergehauen hatte. »Wir hatten gerade erst angefangen, unser Leben in die richtigen Bahnen zu lenken. Es war Krebs. Ich habe getan, was ich konnte, um sie zu retten. Aber manchmal können wir alles tun, und es reicht trotzdem nicht.«
»Ich kenne zwar die Umstände nicht, aber Sie dürfen sich nicht die Schuld geben.«
Michael schüttelte den Kopf. »Tue ich auch nicht. Ich konnte nichts tun, und die Ärzte konnten nichts tun. Nur fragt man sich da natürlich, warum manche Menschen so lange leben, während andere in der Blüte ihrer Jahre aus dem Leben gerissen werden.«
»Ja«, erwiderte Susan leise und schaute weg.
»Ich nehme an, Sie wissen, was ich meine.«
Susan nickte. »Durch Peters Tod musste ich begreifen, dass man das Leben nicht als Selbstverständlichkeit hinnehmen darf.«
»Man muss jeden Augenblick bewusst leben«, sagte Michael, mehr zu sich selbst als zu Susan. »Wenn man einen Menschen ansieht, der einem wirklich etwas bedeutet, darf
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