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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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zwanzig Meter hohen Mauern aufragte. Die Welt erwachte. Die ersten Passanten waren zu sehen; die ersten Autos fuhren an der Festung vorbei. Doch keiner der Menschen ahnte etwas von der Welt, die sich unter den Mauern des Kremls befand.
    Busch und Fetisow tauchten neben Michael an der Wasseroberfläche auf.
    Fetisow war verstört, hustete und schnappte nach Luft. »Haben Sie Ihren amerikanischen Verstand verloren?«
    »Ich dachte, ihr Russen wärt per Gesetz verpflichtet, harte Burschen zu sein«, erwiderte Busch und begann, Richtung Ufer zu schwimmen.
    »Ich habe meine Sauerstoffflasche verloren«, gab Fetisow zurück und schwamm neben Michael. »Sind Sie sicher, dass Sie das hinkriegen?«
    Michael sah ihn an und nickte. Dann beobachtete er, wie Busch und der Russe vor ihm herschwammen. Nachdem er die Unterwelt des Kremls gesehen und den Ort inspiziert hatte, an den er gehen musste, und nachdem er verdaut hatte, was er tun musste, blickte Michael zum Himmel und atmete tief durch. Er wollte sich an diesen Augenblick erinnern, an den blauen Himmel über ihm, an die frische Luft. Denn jetzt, da er wusste, was ihm wirklich bevorstand, wusste er zugleich, dass er das Gefühl von Freiheit vielleicht zum letzten Mal genießen konnte.

29.
    S tephen Kelley zog sich um und schlüpfte in Jeans und ein weißes Baumwolloberhemd, das er im Schrank der Suite gefunden hatte, in der man ihn gefangen hielt. Es erstaunte ihn nicht, dass die Sachen perfekt passten. Er ging ins Badezimmer, drehte den Wasserhahn auf und wusch sich durchs Gesicht. Dann stützte er sich auf das Waschbecken und blickte in den Spiegel. Er konnte nicht umhin, Michael in sich selbst zu sehen: die blauen Augen, das markante Kinn, die breiten Schultern. Sie sahen einander ähnlicher, als Stephen bewusst gewesen war.
    Nachdem er seine junge Ehefrau zu Grabe getragen und Michael zur Adoption freigegeben hatte, hatte Stephen sich in sein Studium gestürzt. Er konnte sich nur mit Mühe über Wasser halten, schaffte es aber trotzdem. Er bestand sein Examen am Boston College mit Auszeichnung und ging nach Yale, um dort Jura zu studieren, diesmal mit einem Stipendium. Er machte seinen Abschluss als Zweitbester seines Jahrgangs. Der Job bei der Staatsanwaltschaft in Boston, den er dann antrat, sollte nur ein beruflicher Zwischenstopp sein, doch die Justiz übte einen Reiz aus, dem Stephen sich nicht entziehen konnte.
    Er arbeitete sich nach oben, indem er die schwierigsten Strafsachen übernahm. Ehe er sich versah, war er Staatsanwalt in Boston. Zwar blieb er nur für eine Legislaturperiode im Amt, ging aber als einer der erfolgreichsten Ankläger in der Geschichte der Stadt in die Annalen ein und erzielte eine höhere Verurteilungsrate als jeder seiner Vorgänger. Seine Einsatztruppen ließen Diebesbanden hochgehen und sprengten Drogen-, Glücksspiel- und Prostitutionsringe.
    Nach vier Jahren als Staatsanwalt gründete er seine eigene Kanzlei. Schon dank seines Rufs bekam er Fälle, die größer und spektakulärer waren als die der Konkurrenz. Später wurde sein Sohn Peter zu seinem Partner in der Kanzlei, die von nun an den Namen »Kelley & Kelley« trug. Peter hatte sich zu einem brillanten jungen Mann gemausert, der Stephen mit Stolz erfüllte. Niemals zog Peter irgendwelche Vorteile aus seinem Namen; er erzielte seine Erfolge durch Intelligenz, Entschlossenheit und lange Nächte harter Arbeit.
    Während Peter als Jurist Karriere machte, erwarb sein Halbbruder Michael sich einen legendären Namen als Meisterdieb. Michael und Peter hatten von der Existenz des jeweils anderen keine Ahnung. Zwar lebte Michael auf der anderen Seite des Gesetzes, doch Stephen wusste, dass die Bezeichnung Krimineller in Michaels Fall zu harsch war. Michael war ein guter Mensch, ein guter Ehemann. Und obwohl Stephen überzeugt war, das Richtige getan zu haben, als er Michael damals zur Adoption freigab, hatten die Schuldgefühle ihm jeden Tag seines Lebens zu schaffen gemacht.
    Stephen fragte sich, wer von seinen beiden Söhnen die Oberhand behalten würde, würde man sie gegeneinander antreten lassen.
    Doch als er wieder auf den Balkon trat und hinaus aufs Meer blickte, wusste Stephen, dass jetzt, da es darum ging, sein Leben zu retten, außer Frage stand, welcher seiner Söhne besser auf diese Aufgabe vorbereitet war.

30.
    D ie Mittagssonne schien in den vollklimatisierten Wohnraum der Hotelsuite und tauchte ihn in gleißendes Licht. Die Einrichtung war eine Mischung aus europäischen

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