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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
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die
glitzernde Wasseroberfläche sehen, durch die Leathan verschwunden war.
Natürlich hatte er nicht vor, sich die Blöße zu geben, ihn zu
verfolgen. Er würde dem hinterlistigen Kind früh genug wieder
begegnen, daran zweifelte er nicht. Jetzt erst betrachtete er die Mauer, in der
einst Gitterstäbe gesteckt hatten. Erst als Leathan hinaus gesprungen war,
hatte er ihr Fehlen bemerkt. Leathan und Alienta hatten anscheinend ganze
Arbeit geleistet und gut geplant: sogar die Möglichkeit ihrer Flucht
hatten sie einberechnet. Nur eines hatten sie nicht bedacht: das Eingreifen von
Selimka, der Göttin des Meeres. Anthalion neigte respektvoll den Kopf und
richtete gedanklich das Wort an seine Schwester.
    ‚Ich danke dir, Selimka.’ Natürlich antwortete sie
nicht. Anthalion wusste, wie ungern sie die Aufgabe übernommen hatte, ihn
zu schützen. Selimka mischte sich nur selten in die Belange der anderen
Götter ein. Doch nun, da die anderen Götter wegen ihres misslungenen
Angriffs auf Ker-Deijas aus den Tiefen des Alls ihren Weg zurück finden
mussten, weilte Selimka gezwungenermaßen oft an Anthalions Seite und
vernachlässigte dafür ihr eigenes Volk. Obwohl der Kampf der anderen
Götter für sie kaum von Bedeutung war, folgte sie widerwillig deren
Pfad, um sich auf ihrer eigenen Ebene keine Feinde zu schaffen. Nun war Selimka
wieder ihrer Wege gegangen und Anthalion war alleine in Leathans Zimmer
zurückgeblieben… Alleine...
    Er betrachtete das Blutbad. Alientas unkenntliche Leiche
interessierte ihn dabei kaum. Seine Aufmerksamkeit galt vielmehr dem Boden an
der Stelle, wo er kurz zuvor noch sein Leben hätte aushauchen sollen. Sein
Blut war es, das dort den Boden tränkte.
    So oft hatte Anthalion im Geiste seiner Opfer den Tod
erspürt, wenn Kälte ihre Schmerzen langsam auslöschte! Er hatte
vermutet, den Tod in all seinen facettenreichen Gesichtern zu kennen, doch er
hatte sich geirrt… Nun wusste er, in welchem Ausmaß der eigene Tod sich
von diesen Erfahrungen unterschied. Er hatte nicht nur den brennenden Schmerz
in seinem Rücken und in seiner Kehle erleiden müssen... Ihm
schauderte und er setzte sich… Zu stark wüteten die Gefühle durch
seine Seele. Er schloss die Augen und erinnerte sich an das, was er gerade
erlebt hatte: Das Versagen seines Körpers.
    Noch nie hatte er sich seinem Körper so stark
verbunden gefühlt, als in dem Augenblick da er ihn hätte für immer
verlieren sollen. Seine Kehle schnürte sich zu, während seine
Erinnerungen ihn übermannten. Sein Körper lebte wieder, doch er
spürte noch, wie die endgültige Kälte ihn gelähmt hatte,
während sein furchterfüllter Geist nach mehr Leben geschrien und gegen
den Sog der Weite gekämpft hatte. Zitternd hob er eine Hand, richtete sein
Blick auf seine Finger. Langsam bewegte er sie und zum ersten Mal in seinem
langen Leben hatte er Angst.
    Angst zu sterben.
    Leise Tränen glitten entlang seiner Wangen.
    Leise Tränen für den Tod, den er eines Tages
erfahren würde.
    Leise Tränen für die Menschen, deren Leben er
achtlos ausgelöscht hatte…
    Noch während er in seinen düsteren Gedanken
vertieft war, fing er an zu lächeln…
    Erst nur zögerlich, doch plötzlich musste er schallend
lachen.
    Er war der Gott des Todes! So skurril war diese
Situation, dass er sich schon bald vor Lachen krümmte. Der Gott des Todes
hatte den Tod entdeckt.
    Jetzt erst.
    Sein Lachen war nicht etwa hysterisch, nein, er lachte
sich selbst aus, einsam, enttäuscht, verletzt, doch lebendig, wie nie
zuvor.
     

Der Pfad der
Götter

Prolog
     
    Die Wassergräben um Anthalions Palast führten
direkt zum Meer.
    Nachdem Leathan aus dem Fenster des Palastes gesprungen
war, um dem Herrscher zu entkommen, war er so lange unter Wasser geblieben, wie
er konnte. Als er nach Luft ringend wieder aufgetaucht war, hatte er sich kurz
umgedreht, um sich zu vergewissern, dass er außerhalb des Blickfeldes
Anthalions gelangt war. Mehr wollte er vom Palast nicht mehr sehen, in dem er seine
Niederlage erlitten hatte. Er versuchte nicht an sein Versagen zu denken, er
versuchte die zerrissene Leiche Alientas aus seinem Gedächtnis zu bannen.
Er brauchte jetzt seinen ganzen Willen und seine ganze Kraft für das
Schwimmen.
    Natürlich hatte er gemeinsam mit Alienta einen
Fluchtweg bedacht, doch mit den Gezeiten hatten sie beide nicht gerechnet. Er
musste unter die Wellen tauchen, um gegen die steigende Flut anzukämpfen,
die drohte, ihn zurück zu seinem Feind zu schwemmen. Bald

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