Die Quelle
Raum
um ihn herum und endlich lag er auf einem Salzbett auf der Oberfläche des
Meeres.
Sein Körper presste das restliche Wasser aus seiner
geschundenen Lunge und erleichtert atmete er wieder Luft ein… Sein Herz schlug in
atemberaubender Geschwindigkeit. Er atmete noch einmal tief durch und musste
wieder husten. Allmählich beruhigte sich sein Körper und jetzt wusste
er, was passiert war. Er sah auf sich herab. Er hatte die Gestalt Stellas
angenommen und so dem sterbenden Körper Leathans einen Aufschub
gewährt.
Sie lächelte, glücklich am Leben zu sein,
glücklich, dass ihr Unterbewusstsein für sie die richtigen
Entscheidungen getroffen hatte. Erschöpft legte sie sich auf die glatte,
weiße Oberfläche der Salzsäule, die sie gerade erschaffen
hatte, und schloss die Augen. Sie spürte die Nähe der Wesen aus dem
Meer, die ihr nicht zu Hilfe gekommen waren. Sie war zu erschöpft, um zornig
auf sie zu sein, vielleicht aber auch, war es ihr in der Gestalt Stellas, die
sich so nahe der Quelle bewegte, gar nicht möglich, Zorn zu empfinden.
Sie ließ ihren Geist langsam in das Wasser gleiten,
hinunter in die Tiefen, die sie vor kurzem fast das Leben gekostet hätten.
Die Meereswesen öffneten sich ihr und sie spürte ihr Bedauern. Sie
spürte auch etwas mehr und ihr Geist fand die Antwort, als sie für
einen kurzen Augenblick die Anwesenheit Selimkas erfasste, ehe die Göttin
schlagartig verschwand, um nicht das Schicksal ihrer verbannten Geschwister zu
teilen.
Gedanklich kehrte Stella zu den Wesen des Meeres
zurück und wurde sich der Angst gewahr, die sie empfanden. Sie
fürchteten die Rache derjenigen, die den Tod besiegt und ihre Göttin
in die Flucht getrieben hatte. Sie hatten Angst vor ihr, vor einem Kind der
Quelle. Stella nahm ihr Flehen wahr. Das Volk der Suhuhlash bat um Vergebung.
Sie konnte kurz in ihren Gedanken erkennen, wie Anthalion sie gnadenlos
abgeschlachtet hatte, um die Gunst Selimkas und die ihrer Schützlinge zu
erpressen. Natürlich hatten sie Angst. Alle Wesen, die nicht aus dem Meer
kamen, bedeuteten Bedrohung für die Suhuhlash... Ob Gott, Kind der Quelle
oder Mensch, für die Suhuhlash machte es keinen Unterschied.
Noch immer lag Stella reglos in der Sonne, doch sie
fühlte, wie die Wesen vorsichtig die Salzsäule durchtrennten und
langsam das entstandene Floss vor sich herschoben. Natürlich brauchte sie
jetzt ihre Hilfe nicht mehr, und das wussten sie. Sie ließ sie dennoch
gewähren und akzeptierte somit ihre Entschuldigung.
Stella erlaubte es sich, im Einklang mit den Suhuhlash zu
denken. Sie zeigte ihnen die Richtung die sie einschlagen wollte, weit auf das
Meer hinaus, an den Wellbrechern vorbei, bis zum anderen Ende Anthalias, wo
noch niemand sie vermutete. Sie bemühte sich nur als Mensch zu denken und vermittelte
einmal mehr den Suhuhlash ihre Botschaft der Freundschaft, in der Hoffnung, Selimka
würde sich nicht einmischen um zu widersprechen.
Noch ehe sie das Ufer erreichten, hatte sie die Gestalt
Leathans wieder angenommen und nahm die neue Herausforderung an. Noch konnte
er, Leathan, den Stadtteil, in welchem er gestrandet war, nicht erkennen, doch
er vermutete, es handelte sich um das Bettlerviertel.
Während er erste Schritte an der schlammigen,
sumpfigen Küste ging, auf der Suche nach einem sonnigen Platz um sich zu erholen,
empfing er die lang ersehnte Antwort der Suhuhlash. Die Menschen waren nicht
länger ihre Feinde, sie würden sich bemühen einen gemeinsamen
Weg zu finden.
Kapitel 1
Weshalb
dieser Teil der Stadt als Bettlerviertel bezeichnet wurde, war Leathan anfangs
unklar gewesen. Er hatte sich dieses Viertel ganz anders vorgestellt.
Auch wenn es jemand geschafft hätte, den Ekel vor
dem Dreck auf dem Boden zu überwinden, um sich niederzusetzen und seine
Hand flehend auszustrecken, hätte er kaum Aussicht auf Erfolg gehabt. Das
Elend war hier überall und jeder war nur mit seinem eigenen Überleben
beschäftigt. Kein Bettler würde hier von jemandem Almosen bekommen.
Die miserablen Holzbaracken moderten vor sich hin und
verbreiteten nicht nur Gestank sondern auch Krankheiten und Ungeziefer. Das
gesamte Viertel reflektierte nicht viel von Anthalions angeblichem Wunder, den
Sumpf besiegt zu haben. Während der Herrscher es geschafft hatte, dank
seiner Magie vor dem Errichten Anthalias den Sumpf durch die vielen Kanäle
trockenzulegen, hatte er wohl nicht mit Überbevölkerung gerechnet,
die die Bewohner gezwungen hatte, die Stadtmauern zu
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